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31. Nürburgringlauf am 20.08.2011


Mit Lust durch die „Grüne Hölle“

Nürburgring – wie viel Phantasie und wie viel Zauber liegt in diesem Wort. Und wie wundersam ist die Geschichte des kleinen Jungen, der Wolfgang hieß.

Bei wem diese beiden leicht verfremdeten Sätze verständnisloses Kopfschütteln auslösen, dem sei gesagt: Sie leiten einen der berühmtesten und den letzten von Walt Disney noch selbst produzierten Zeichentrickfilme der Disney-Studios über Rudyard Kiplings „Das Dschungelbuch“ ein. Natürlich liegt der Zauber im Dschungel und der kleine Junge heißt Mogli, aber, wenn ich mich so umschaue, bin auch ich heute in der tiefen Eifel von grünem Dschungel umgeben und Mogli wurde von einer WOLFsfamilie großgezogen. Paßt also.

Und in der Tat ist die Rennstrecke, die wir heute unter unsere Laufschuhe nehmen werden, von Mythen umrankt wie kaum eine zweite. Die ersten Ideen zum Bau stammten aus dem Jahre des Heils 1904, weil man erkannt hatte, daß es vielleicht eher suboptimal ist, Autorennen auf öffentlichen Straßen auszutragen. Selbst Kaiser Willi II persönlich, der immer für spektakuläre Dinge zu haben war, engagierte sich und schnell kam man auf die Eifel als geeignetes Gelände, da sie über eine niedrige Besiedlung, Hochflächen und Täler sowie einige große ebene Flächen verfügte. Die extremen Steigungen und Gefälle waren ideale Voraussetzungen für eine Rennstrecke mit großen Höhenunterschieden.

Baugeschichte des Nürburgrings

Nach dem Abflauen des Renninteresses nach 1907 und dem ersten Weltkrieg wurde die Idee wieder aus der Versenkung geholt und die strukturschwache und nur gering industrialisierte Eifel rückte erneut ins Rampenlicht. Unter Federführung des ADAC bauten bis zu 2.500 Arbeiter die nach der ruinösen Nürburg benannte Strecke, die wie einige Ortschaften innerhalb der Nordschleife liegt. Nord- und Südschleife sowie die Start- und Zielgerade sollten zusammen 32,7 km lang werden. Schon damals schaffte man es, die ursprünglich veranschlagten Baukosten letztlich um über 60 % zu übertreffen.

1925 begann der Bau der langen „Gebirgs-, Renn- und Prüfungsstrecke“, die am 18. Juni 1927 eingeweiht wurde. In den folgenden Jahren wurde die Südschleife nur selten genutzt, so daß die Rennen überwiegend auf der Nordschleife ausgetragen wurden. Da die Rennautos immer schneller wurden, war die Strecke trotz einiger Umbaumaßnahmen letztlich der Technik nicht mehr gewachsen. Schon etliche Fahrer waren tödlich verunglückt und beim definitiv letzten Rennen 1976 erlitt Niki Lauda seinen schweren Brandunfall.

Nicht ganz zufällig sang Reinhard Fendrich in seinem berühmten Lied „Es lebe der Sport“:

Explodieren die Boliden,
ist das Publikum zufrieden.
Ja ein flammendes Inferno
schaut man immer wieder gern o
.

1984 wurde die neue, wesentlich kürzere (5,1 km) Grand Prix-Strecke eröffnet, die, noch einige Male verbessert, heute Schauplatz für uns motorlose Helden sein wird. Nordschleife plus leicht verkürzte Grand Prix-Strecke, insgesamt 24,4 km mit rund 500 Höhenmetern gilt es für uns heute zu bewältigen.

Nürburgringlauf – die Idee

1978 war läuferisch so manches anders als heute. Es gab z.B. noch keinen der beliebten Städte-Marathons in Deutschland, die aktuell teils zehntausende Läufer anziehen. Der größte Marathon seinerzeit, ich habe es im Bericht zur Hornisgrinde letztens erst erwähnt, war der Schwarzwald-Marathon in Bräunlingen mit 2.000 Teilnehmern. Die meisten Volksläufe mit bis zu 2.000 Startern fanden in versteckten Waldgebieten unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Manfred Steffny hatte 1977 die kühne Idee, den seinerzeit wirtschaftlich schwächelnden Nürburgring zu Laufzwecken zu mieten. 22,8 km sollten dabei zu überwinden sein. Unterstützt wurde er dabei vom unvergessenen Dr. Ernst van Aaken (beide zeichneten für die ersten fünf Austragungen verantwortlich) und maßgeblich durch die damalige LG Andernach-Neuwied (heute LG Rhein-Wied) unter Leitung des auch heute noch rührigen Johannes Kessler. Würde dieser Plan aufgehen?

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Ein Jahr später, zum Renntermin, einem goldenen Oktobertag, wurde die Organisation von 1.200 Nachmeldern (!) geradezu überflutet. Insgesamt 5.300 Läufer und Wanderer brachten der Zeitnahme, noch ohne EDV (!), beträchtliche Zielstaus im mittleren Leistungssegment. Aber was sollte es – der Durchbruch war gelungen! Radio und Fernsehen berichteten ausführlich, Sponsoren interessierten sich und die Läufer kamen wieder.

Nach fünf Austragungen zog sich Manfred Steffny zurück und der Leichathletikverband Rheinland unter Geschäftsführer Gerhard Paech (die letzten beiden Male unter seinem Nachfolger Achim Bersch) sowie der Sportbund Rheinland übernahmen 1983 die Verantwortung. 2001 war dann aber erst einmal Schluß mit lustig: Aufgrund von Schwierigkeiten mit der Terminfindung, den Sponsoren, dem Finanzamt und nicht zuletzt der damaligen Geschäftsführung des Nürburgrings, die wesentlich in die derzeitigen höchst fragwürdigen Fehlplanungen involviert war, musste der Lauf abgesagt werden und ruhte für die nächsten drei Jahre.

2004 streckte mit der Eventwerkstatt und Hanns-Martin Fraas ein Profi den Kopf aus der Deckung und reanimierte den Lauf. So konnte auch der heldenhafte Autor in den Jahren 2005 und 2006 seine Visitenkarte am Ring abgeben. Und schaut heute nochmals nach dem rechten.

Nürburgringveteranen

Es gibt sie ja überall. Überall dort, wo ein Lauf ein paar Mal stattgefunden hat: Nämlich diejenigen, die alle bisherigen Austragungen mitgemacht haben. Und wenn das mal deutlich mehr als 10 Veranstaltungen waren, dürfen sie sich auch, ohne sich zu schämen, Veteranen nennen. Insbesondere dann, wenn sie sich bereits zum sage und schreibe 31. Mal an die Strecke heranwagen.

Insgesamt sind es heute noch 15, die alle Läufe mitgemacht haben, auf dem Foto habe ich sie verewigen können. Und drei von ihnen werden sich zum 31. Mal sogar an die Königsstrecke heranwagen, nämlich Heinz Sindorf (M 70), Wolfgang Rausch (M 60) und Franz-Josef Zander (M 60). Hans-Ulrich Lang, der „Chef“ der Nürburgringlauf-Veteranen, hat wieder ein T-Shirt anfertigen lassen. Hans-Ulrich ist 82 Jahre alt und kommt von der Schwäbischen Alb! Das toppt sogar noch das 85jährige Klärchen, die am letzten Sonntag als älteste Teilnehmerin die 8 km des Women’s Run in Köln in flottem Tempo hinter sich gebracht hat. Beeindruckende Bilder, sowohl als auch!

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Von diesen Herren und der Dame abgesehen – welch für mich heute noch klangvolle Namen haben sich am Nürburgring schon in die Sieger- und Plaziertenlisten eingetragen! Um nur einige zu nennen: Hans-Jürgen „Sehne“ Orthmann (sechsmaliger Sieger), Wolf-Dieter Poschmann, Liane Winter, Klaus Wasser, Ralf Salzmann, Charlotte Teske, Eddy Hellebuyck, die Mockenhaupts (Mama, Papa und „Mocki“), Birgit Lennartz, Uwe Honsdorf und und und… Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß schon mir viele Namen damaliger Spitzenathleten leider nichts mehr sagen.

Et jeht loss

Ich muß jetzt aber aufhören, in der Vergangenheit zu schwelgen, denn glücklicherweise gibt es ja auch noch die Gegenwart. Es ist mittlerweile halb neun und eine Viertelstunde vor dem Start. Spannung und Nervosität steigen wie beim Formel 1-Rennen, wenngleich kein Motorendröhnen, sondern nur Stimmengewirr zu vernehmen ist. Die Start- und Zielgerade der neuen Grand Prix-Strecke ist ein beeindruckender Rahmen für den Beginn dieses außergewöhnlichen Laufs. Wann steht man schon einmal dort, wo sonst die Motoren der Boliden brüllen? Wie man so hört, leisten die aktuell um die 750 PS zzgl. einiger zusätzlich temporär abrufbarer PS durch eine spezielle Art der Energierückgewinnung bei nur rund 650 kg Gewicht und sie beschleunigen – ach, was soll das, wir sind jedenfalls deutlich langsamer, bringen aber auch jede Menge Gummi auf den Asphalt.

Volles Rohr zu laufen – was für mich als mehr oder weniger (eher weniger) rasender Reporter halt so volles Rohr ist – kommt heute nicht in Frage, denn dies ist beileibe kein 08/15-Rennen und da sollen die Fotos ja die phantastische Strecke einfangen. So beabsichtige ich, an der einen oder anderen Stelle mal stehenzubleiben und genauer zu zielen, dann muß ich hinterher auch nicht so viele Fotos löschen. Gerne greife ich folgend die perfekte Laufbeschreibung von der Nürburgringlauf-Internetseite auf.

11,5 km vorwiegend bergab

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Peng – der Startschuss fällt fast überraschend und die Flagge senkt sich. Mehrere tausend Läufer beschleunigen mehr oder minder lautlos entlang der Boxenmauer, die Stimmung ist super. Die scharfe Rechtskurve eingangs der „Mercedes-Arena“ ist kein Problem, ich muß nicht einmal herunterschalten. Die Strecke ist mit 18 Metern breit genug, Ausbremsmanöver sind unnötig. Ganz im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen kann hier jeder sofort sein eigenes Tempo laufen. Kurz nach dem Start haben sich hier zwar schon viele Rennen entschieden, garantiert aber nicht beim Nürburgring-Lauf.

Die „Mercedes-Arena“ schlängelt sich in gewaltigen Aspahlt-Dimensionen vorbei an einer riesigen, aber leider leeren Tribüne. Was mag hier zu großen Motorsportereignissen los sein! „Querspange“, „Kumho-Kurve“, „Bit-Kurve“, für motorisierte Rennfahrer sind diese Passagen durchaus anspruchsvoll, für Läufer ein Genuss, ich schieße ein Foto nach dem anderen. Dann geht’s runter durch den „Rheinland-Pfalz-Bogen“ und über die „NGK-Schikane“ erstmals ordentlich über rund 50 Höhenmeter bergauf. Nach knapp vier Kilometern ist die erste Etappe geschafft, die Laufstrecke mündet vom Grand Prix-Kurs in die legendäre Nordschleife. Hier können wir mal ein frisch geharktes Kiesbett aus nächster Nähe bewundern. Durch die für mich etwas unklare Kilometrierung weiß ich erst nach dem 4. Km, wie schnell ich unterwegs bin.

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Jede Menge Radfahrer haben schon ihre Zelte für das kommende Rad-Großereignis (u.a. 24 h-Rennen) aufgeschlagen und spenden respektvoll Beifall. Das tut richtig gut und verbindet uns über die Sportart-Grenze, wobei das Ausüben von beidem für Triathleten ja selbstverständlich ist und auch mich wochenlang bei meinem Zehenbruch über Wasser gehalten hat. Mannomann, die Ersten grillen schon und der Duft zieht mir in die Nase. Gemein!

Respektvoll hatte Formel 1-Legende Jackie Stewart die Nordschleife einst „Grüne Hölle“ getauft und so wird sie auch heute noch gerne genannt. Wer die überlebt, muß ein Held sein! Und damit das keiner übersieht, steht dies kurz vor dem Zieleinlauf unübersehbar auf dem großen Erdinger-Bogen. Die Piloten schneller Boliden haben ihre liebe Mühe, um durch das „Hatzenbach-Geschlängel“ über „Hocheichen“ runter zur „Quiddelbacher-Brücke“ zu gelangen. Für Läufer dagegen läuft’s locker – immer bergab. Und genau das ist das Verhängnisvolle für Unerfahrene oder Vergeßliche: Man neigt dazu, hinabzufliegen und zu verdrängen, daß es ein Rundkurs ist. Heißt: Was an Höhenmetern verloren wird, muß auch wieder erarbeitet werden.

Kaum sind 5 km gelaufen, steht schon der erste am Rand und dehnt. Ob das noch gut gehen wird? Der eine oder andere ist schon schwer am Schnaufen, dabei ist dies bisher mit Sicherheit der leichteste Teil gewesen. „Flugplatz“, „Schwedenkreuz“, „Aremberg“, es gibt keinen Kampf mit der Ideallinie, nur die pure Freude an der wunderschönen Eifellandschaft und dem Gefühl, über nicht gerade alltäglichen Asphalt zu laufen. Ich empfinde das als wirklich erhebend, dieses Gefühl sollte sich jeder wenigstens einmal gegönnt haben, auch wenn es „nur“ 24,4 km und damit ein „Unterdistanzlauf“ ist. Gerade beim ersten Mal. Macht doch, wie ich, einen Trainingslauf daraus, ich möchte das Erlebnis nicht missen.

Weiter geht es die „Fuchsröhre“ runter und wieder hoch zum „Adenauer-Forst“. Wald rückt an den Streckenrand und beweist den Namen „Grüne Hölle“ nachdrücklich; die paar Meter bergauf sind locker zu bewältigen. Noch. Doch das wird sich nachhaltig ändern. Rechts, links, rechts – man fühlt beim Laufen schon fast, welche muntere Kurvenfahrt dieser Streckenabschnitt bei Motorisierung zu bieten hat, auch die meisten Läufer versuchen, Ideallinie zu laufen. An einigen Stellen hat man riesige Vorratsbehälter mit Wasser aufgestellt. Für die Radfahrer? Einigen von uns ist das wurscht und sie greifen gerne zu. „Metzgesfeld“, „Kallenhardt“, „Wehrseifen“, und dann ist „Breidscheid“ in Sicht, der tiefste Punkt der Strecke, 300 Höhenmeter unter Start und Ziel.

4 km brutaler Aufstieg

Wer bis hierher die Verpflegungsstationen eins bis drei ohne „Boxenstopp“ passiert hat, sollte spätestens im Streckenabschnitt im gleichnamigen Ortsteil von Adenau „Treibstoff tanken“. Der Labestationen sind es übrigens mehr als ausreichend und es wird einiges geboten. Bei diesem vergleichsweise kurzen Lauf halte ich es allerdings wie m4y-Coach Andreas Butz und trinke nur Wasser, das ist mir völlig ausreichend. Auf das bleifreie Erdinger hinterher freue ich mich aber jetzt schon! Über die „Ex-Mühle“ führt der Eifelkurs weiter Richtung „Bergwerk“, vorbei an der Stelle, an der Niki Lauda 1976 schwer verunglückt war. Und genau ab hier wird es auch beim Laufen richtig ernst. Denn bis zur „Hohen Acht“, dem höchsten Berg der Eifel, sind auf rund vier Kilometern knapp 300 Höhenmeter zu überwinden.

Das ist exakt die Stelle, auf die ich gewartet habe und die mir einen ganz leisen Vorgeschmack auf die Jungfrau in drei Wochen geben soll. Mit Sicherheit noch deutlich dramatischer als hier werden wir nach 26 km am Ortsausgang von Lauterbrunnen vor einer Wand stehen, die es zu bezwingen gilt. Da kann es ja nicht schaden, wenn man den zu erwartenden Schock vorher mal ein wenig vorübt. Einige werden zu demütigen Wanderern und das vorher schon stark entzerrte Läuferfeld wird wieder dichter.

Langsam hebt sich das Streckenprofil durchs „Kesselchen“. Wer mit zu viel Gas durchmarschiert, wird zwar die scharfe Rechtskurve im „Klostertal“ noch packen, aber spätestens nach der legendären 180-Grad-Kehre  „Caracciola-Karussell“, für mich mit der Steilkurve ein besonderes Glanzlicht, zeigt sich, wer seine Kräfte richtig eingeteilt hat. Mit einer Steigung bis zu 17 Prozent reckt sich die Nordschleife hoch zum Streckenabschnitt „Hohe Acht“. Ich bin dank eigener Erfahrung vorgewarnt und es gelingt mir, zunehmend andere Läufer einzusammeln. Kraft in den Beinen ist ausreichend vorhanden und ich kann daher ordentlich drücken.

Noch auf halber Höhe erkenne ich ihn sofort, kann es mir aber irgendwie nicht vorstellen. Aber er ist es, mein Serienbegleiter und Ultraläufer Jochen. Ist gestern mit seinem Tourenrad 70 km angefahren, um Josef und mich die Hohe Acht hinaufzubegleiten. Mit so etwas Tollem habe ich nicht im Ansatz gerechnet und freue mir ein Loch in den Bauch. Vielen Dank, lieber Jochen, diese Tat verrät mehr Freundschaft als 1.000 Worte.

Glücklicherweise spielt auch das Wetter heute mehr als mit. Auf Konstanz kann man ja, in diesem Sommer sowieso nicht, setzen: es gab schon alles von Eiseskälte mit Regen bis hin zu Bullenhitze. Und da ist der pralle Sonnenschein mit wolkenlosem Himmel bei morgens 13° und mittags 21° doch ein für uns Läufer prima Mittelding. Manch einem wird es aber bestimmt schon wieder zu warm gewesen sein, ich aber liebe diese Bedingungen. Für diejenigen, die es bisher nicht bemerkt haben sollten, steht „Grüne Hölle“, wie so vieles andere, in dicken Lettern auf dem Asphalt geschrieben.

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Noch neun km bergab und -auf

Bei der Verpflegungsstation Nummer sechs werden wir mit Mineralwasser, Cola, Apfelschorle, Energieriegeln und -getränken sowie Bananen für die bisherige Plackerei belohnt, auch wenn ich bis auf das Wasser alles verschmähe. Seht es mir bitte nach, Ihr lieben Helfer. Zusätzlich dürfen wir auf den nächsten Metern leicht bergab über „Wippermann“ und „Eschbach“ in den Streckenabschnitt „Brünnchen“ laufen. Der Puls kann sich zwar etwas beruhigen, aber für Entwarnung ist es noch definitiv zu früh.

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Einige Mitstreiter haben erfreulicherweise noch Luft und sind sich am unterhalten. Beim Stichwort „Jungfrau“ richten sich meine Lauschlappen besonders auf und wir stellen belustigt fest, daß mehrere von uns unabhängig voneinander diesen Lauf als scharfes Training für die in drei Wochen anstehende alpine Herausforderung nutzen.

Eiskurve“, „Pflanzgarten“ und  „Schwalbenschwanz“: wer hier noch Reserven hat, genießt das Auf und Ab, den unverwechselbaren Charakter dieses traditionsreichen Geläufs. Auch auf die Gefahr hin, daß es sich großkotzig anhört: Ich genieße diesen Abschnitt tatsächlich, es läuft absolut rund, ich kann das Tempo hoch halten und noch einige Plätze gutmachen, obwohl das natürlich völlig unwichtig ist. Unser Freund, der Sportfotograf Norbert Wilhelmi, kniet auf der Trasse, schießt einen nach dem anderen ab und freut sich, von einem bekannten Gesicht selber abgelichtet zu werden.

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Vorbei am „Galgenkopf“ geht’s zum langen Finale auf die „Döttinger Höhe“. Rund drei Kilometer geradeaus, das Ziel schon fast in Sicht, nur noch wenige Höhenmeter, die den inneren Schweinehund nochmals kräftig fordern. Ich stelle mir vor, wie die Rennfahrer hier ihre Autos auf Höchstgeschwindigkeit bringen und lege unbewußt weiter an Tempo zu. Sogar meinen Freund Josef, dem ich heute 10 bis 15 Minuten Vorsprung prognostiziert hatte, kann ich noch kassieren, er hat wohl trotz seiner reichhaltigen Erfahrung auf den ersten Km zu viele Körner gelassen. Bei mir kann ich wirklich nicht meckern. Das hinsichtlich der kommenden Aufgaben auf derzeit fünf Wocheneinheiten erhöhte Trainingspensum mit jeder Menge Höhenmetern zeigt den gewünschten Erfolg.

Nach der „Hohenrain-Schikane“ öffnet sich die Zufahrt zur Grand Prix-Strecke und somit der Weg auf die Zielgerade. Wieder Formel 1-Gefühl: Das Kiesbett, die rot-weißen Reifenstapel, die Schilderbrücken, Zuschauer beiderseits der letzten zweihundert Meter. Ich schalte nochmal einen Gang herunter, brause nach 2:03:17 Std. mit einem fast glatten 5er Schnitt durchs Ziel und fühle mich selbst wie einer der großen Nürburgring-Sieger der letzten 80 Jahre. Super, echt geiles Gefühl. Im strahlenden Sonnenschein knipse ich noch einige Zieleinläufe, erhalte eine schöne Medaille und wende mich dann dem reich gedeckten Tisch der Zielverpflegung zu.

Die Herausforderung der „Grünen Hölle“ ist für jeden ein ganz persönliches Erlebnis, das in Eurer Laufsammlung nicht fehlen sollte, auch wenn Ihr den Schwerpunkt auf Marathons legt. 1.193 Finisher auf der Königsstrecke haben dieses schöne Gefühl bei herrlichstem Wetter (und das in diesem sog. Sommer!) heute mitnehmen können. Mir bleibt die Gewißheit, daß ich dem Jungfrau-Marathon in drei Wochen zwar respektvoll, aber ohne Angst entgegenblicken kann. Ihr hört von mir.

Mein herzlicher Dank für die vielen im Vorfeld bereitgestellten Informationen und Bilder sowie guten Gespräche geht an die Urgesteine des Nürburgringlaufs, meinen Koblenzer Panzerkameraden Gerhard Paech sowie den Fotografen und schnellen Läufer (1957 31:30 min. über 10.000 m) Gustav Schröder (www.rheinruhr-foto.de).

Diesen Bericht gibt es mit vielen Fotos auch auf marathon4you.de!

 

Streckenbeschreibung:
Einzigartiger Lauf auf der aktuellen und der historischen Rennstrecke mit 500 Höhenmetern, die ersten 11 km tendenziell abfallend, der Rest wieder, teilweise heftig, ansteigend.

Weitere Veranstaltungen:
5 und 10 km- sowie Bambinilauf.

Startgebühren:
Je nach Anmeldezeitpunkt 27 bis 37 Euronen für die Langstrecke.

Zeitmessung:
Champion Chip

Auszeichnung:
Medaille sowie Urkunde im Ziel und online.

Logistik:
Alles gut beieinander und kurze Wege.

Verpflegung:
Nudelparty am Vorabend, 9 zunehmend gut bestückte Verpflegungs- und noch zusätzliche Wasserstellen.

Zuschauer:
Leider nicht ganz so viele wie noch vor kurzem beim Formel 1-Rennen, aber doch einige unterwegs und ein etliche Fans im Start-/Zielbereich.