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Mittelrhein-Marathon am 17.06.2007 

 

Den Sinnen freien Lauf gegeben - Sonnengarantie am Mittelrhein

Erst hatte ich mich geärgert, als es mir bei der Premiere 2005 unmöglich war, am neuen Mittelrhein-Marathon von Oberwesel in meine Geburtsstadt Koblenz, quasi vor der Haustür, teilzunehmen. Als ich dann von den Pannen hörte, insbesondere vom ausgegangenen Wasser für die zweite Hälfte des Feldes und das bei tropischen Temperaturen, war ich heilfroh, nicht dabei gewesen zu sein. Und schwor mir, 42 km nie im Sommer zu laufen. Wofür auch, schließlich gibt es ja Frühjahr und Herbst!

Folgerichtig und völlig konsequent stehe ich also heute in Oberwesel und warte auf den Startschuß...

Es kommt halt erstens anders und zweitens als man denkt. Einen Nachbrenner zu Hamburg mit gebremstem Schaum wollte ich dann doch noch absolvieren. Als mein Kollege Alexander Knorr dann im Gespräch so beiläufig fallen ließ, er würde ja gerne mal unter 4 Stunden bleiben, ich ohnehin nicht völlig abgeneigt war und – offensichtlich aufgrund dünner Meldelage – die Startgebühren entgegen der ursprünglichen Ankündigung konstant blieben, war der Entschluß, als privater Zugläufer den Rhein zu erkunden, gefaßt.

Am Freitag werden die Startunterlagen auf der wenig spektakulären Marathon-Messe in der Rhein-Mosel-Halle abgeholt. Ätzend früh geht’s dann am Sonntag los und die Gattin ist auch nicht begeistert („Wo bleibt denn unser gemütliches Sonntagsfrühstück?“). Aufstehen um 04.30 Uhr, um 05.15 Uhr trifft Alexander bei mir ein und gegen 06.00 Uhr fahren wir in die Tiefgarage des Bundesamts für Wehrtechnik und Beschaffung in unmittelbarer Zielnähe ein. Wohl dem, der einen großen Arbeitgeber mit guten Parkmöglichkeiten hat! Die ca. 1,5 km Fußmarsch zum Hauptbahnhof sind zu überleben und um 06.30 Uhr startet der Sonderzug nach Oberwesel, dessen Benutzung in der Startgebühr enthalten ist, eine gute Sache. Im Zug „stolpere“ ich als erstes über die sympathischen Ultraläufer Claudia Weber und Thomas Wenning, die erst kürzlich mit ihrem 16 Marathons in 16 Tagen in 16 Bundesländern – Benefizlauf erneut für Aufsehen gesorgt hatten und die ich bisher persönlich noch nicht kennengelernt hatte. Sie strahlen schon fröhlich in meine Kamera. Später haben wir Gelegenheit, mit den beiden einige Kilometer zusammen plaudernd zurückzulegen und Erfahrungen auszutauschen.

Im Zug herrscht um diese frühe sonntägliche Stunde noch bleierne Müdigkeit. Bei dem einen oder anderen Mitläufer kann es allerdings auch daran liegen, daß ihm beim Abfahren der Strecke plötzlich klar wird, daß er jeden Meter davon höchstpersönlich per Pedes zurücklegen wird. Allerdings ist die Fahrt ein optischer Genuß und wo zu schnell vorbeigefahren wird, läßt sich das später ja noch in Ruhe betrachten, wenn auch vielleicht schmerzgetrübt. Kaum abgefahren, höre ich plötzlich über den Zugfunk eine angenehme Stimme, die ich 17 Jahre nicht mehr gehört hatte: nämlich die meines ehemaligen Bataillonskommandeurs Hans-Dieter Gassen, mittlerweile Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (vulgo: Bezirksregierung) und als 1. Vorsitzender des Mittelrhein-Marathon e. V. Cheforganisator unserer Veranstaltung. Er gibt einen umfassenden Überblick über das Geschehen in Oberwesel; eine gute Einrichtung, die jeden auf den aktuellen Stand bringt.

Punkt 07.00 Uhr sind wir in Oberwesel angekommen und müssen noch eine Stunde Zeit bis zum Start totschlagen, die aber bei dem Gewusel doch schnell vorbeigeht. Im Startbereich suche und finde ich Hans-Dieter Gassen und kann mit ihm, auch in meiner „offiziellen“ Rolle als rasender Reporter für m4y.de, einige Worte wechseln.  Oberwesel ist ein ganz attraktives Städtchen mit ca. 3.500 Einwohnern und besticht u. a. durch eine zu großen Teilen erhaltene mittelalterliche Stadtmauer mit 16 Wehrtürmen (einer steht seit mindestens 2 Jahren zum Verkauf), die zum Teil begehbar ist. In der Liebfrauenkirche, einer der bedeutendsten gotischen Kirchen am Mittelrhein, kann die älteste Ansicht von Koblenz angesehen werden. Weinbau wird hier großgeschrieben, das belegen rund 30, teils seit über 200 Jahren im Familienbesitz befindliche Weingüter.

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Die Startaufstellung in drei Blöcken ist, obwohl der Zugang m. E. nicht kontrolliert wird, äußerst diszipliniert, soll heißen: weder Walker noch 5 Stunden-Läufer unmittelbar an der Startlinie. Klar ist bereits zu diesem Zeitpunkt, daß die Trauben heute hoch hängen würden. Es ist zwar erst 13°, aber die ersten Sonnenstrahlen zeigen deutlich, wohin die Temperaturkurve heute steuern würde. Mittags waren es dann 27°. Von den 42,195 km waren gefühlte 41 km schattenlos zurückzulegen. Los geht es dann pünktlich um 08.00 Uhr am Ochsenturm und damit erneut eine halbe Stunde früher (2005: 09.30 Uhr, 2006: 08.30 Uhr). Wenn das so weitergeht, bekommen wir Mannheimer Verhältnisse! Sogleich zieht sich das Feld weit auseinander. A propos Feld: Der MRM erlebt einen geradezu dramatischen Einbruch bei den Teilnehmerzahlen. Ausgerichtet auf (gewollte) 10.000 Teilnehmer insgesamt liegt man in diesem Jahr gerade mal bei 7.020, davon ganze 782 Finisher (11%) in der Königsdisziplin (2005: 3.365, 2006: 1.423). Angeblich sind knapp 1000 Marathoni gestartet, das entspräche einer Ausfallquote von 20% gegenüber den sonst eher üblichen 5%. Auch der Halbmarathon fällt von 3.153 in 2006 mit 2.133 Finishern drastisch auf den 2005er Startwert zurück. Eine sehr bedenkliche Entwicklung, die sorgfältigst analysiert werden sollte. Ich glaube nicht, daß hier die höheren Startgebühren entscheidend waren, wie ich am Montag der Rhein-Zeitung entnehmen konnte, obwohl diese (s. u.) nicht ohne sind. Der Gegenwert der Veranstaltung ist m. E. angemessen. Hingegen scheint mir der Markt schlicht übersättigt zu sein, und – Weltkulturerbe hin oder her – es ist bestimmt nicht jedermanns Sache, sich Mitte Juni 3, 4 oder 5 Stunden durch die Sonne zu arbeiten.

Zurück zum Lauf selbst: wir haben vor, immer dicht vor dem offiziellen 3:59-Zugläufer zu bleiben, um den unvermeidlichen Staus an den Verpflegungsstationen zuvorzukommen. Bei dieser Gelegenheit treffe ich erstmals auch den TorTour de Ruhr-Läufer Jens Vieler, der diese Aufgabe übernommen hat. Ihn hatte ich über seinen Bericht bei m4y.de kennengelernt und mich mit ihm verabredet. 5:40er Schnitt ist also angesagt. Erstes Zwischenziel nach gut 3 km ist die Loreley, deren berühmter 132 m hoher Felsen bei dem Bohei, der um ihn gemacht wird, für mich nicht besonders imposant wirkt. Möglicherweise ist man als Fast-Einheimischer diesbezüglich aber nur zu unsensibel und/oder verwöhnt. Beeindruckend ist allemal die hiesige Tiefe des Flusses mit bis zu 25 m bei nur minimalen 113 m Breite. Auf der Loreley-Freilichtbühne finden viele Konzerte statt, Anfang der 80er Jahre hat mir hier Angelo Branduardi seinen Wasserfloh (la pulce d’acqua) ins Ohr gesetzt.

Die Gegend besticht auch durch die schönen Burgen Katz und Rheinfels, die zu kurtrierischen Zeiten einen wirksamen Zollriegel bildeten. Heute kommen wir jedoch ungehindert durch. Schon lange streiten sich viele Interessengruppen der Bewohner von St. Goar und St. Goarshausen über eine neue evtl. unter- oder oberirdische Möglichkeit, den Rhein an dieser Stelle passieren zu können.

Ich stelle überrascht fest, daß die Aufgaben als persönlicher Zugläufer und Fotograf doch deutlich anstrengender als erwartet sind. Sich immer wieder heranarbeiten zu müssen, erfordert sehr viel Kraft. Im Ziel werde ich mich genau so kaputt wie in Hamburg fühlen und das bei fast einer halben Stunde mehr Laufzeit.

 

Alexander ist gut drauf und ich muß ihn ab und zu etwas bremsen. Unterwegs haben wir jede Menge Spaß, auch wenn der Zuschauerzuspruch sich auf der ersten Hälfte noch deutlich in Grenzen hält. Das erste mal auf geballtes Interesse stoßen wir in Boppard. Kein Wunder, hier beginnt der Halbmarathon und die auf den Start Wartenden samt ihren Fans geben eine schöne Kulisse ab. Der Lauf durch die Touristenmeile am Rheinufer bietet so manchen optischen Leckerbissen. Alexander liegt super in der Zeit, HM bei 1:58 Std. Hinter Boppard wartet auf uns als besondere mentale Herausforderung der Bopparder Hamm (Wein, Wein, Wein...), dessen langgezogene Rechtskurve nicht zu enden scheint.

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Sehr gut übrigens die Verpflegung: alle 5 km Wasser und Iso, ab km 15 zusätzlich Riegel und Bananen, ab km 35 auch Cola. Dazwischen, so daß alle 2,5 km Wasser gefaßt werden kann, weitere Wasserstellen zum Trinken und für den Schwamm. Die 1.600 freiwilligen Helferinnen und Helfer sowie 600 Profis von DRK, Feuerwehrund Polizei sind immer gut gelaunt und engagiert bei der Sache. Nicht nur in Spay und Brey, auch auf der Strecke finden sich immer wieder Musikgruppen, welche uns anfeuern. Von Dixi (Musik!) über Blasmusik bis Hardrock ist für jeden Geschmack etwas dabei. Gut, daß der Klaus heute nicht hier ist, denn Guggemusik gibt’s leider keine. Rechter Hand dann die Marksburg, die Ritterburg schlechthin. Eine originalgetreue Replik steht übrigens in Japan, nachdem der ursprünglich gedachte Verkauf, Abbau, Transport und Wiederaufbau, gescheitert war. Am anderen Rheinufer in Braubach liegt, wie ich weiß, ein berühmter Biergarten, den ich jetzt nur zu gerne besuchen würde.

Bei km 29 beginnt Alexander leider zu schwächeln. Gesagt hatte ich im Vorfeld natürlich nichts, aber ihm fehlen einige zusätzliche ganz lange Läufe, die er im Vorfeld nicht konsequent trainieren konnte. So müssen wir dann in beiderseitigem Einvernehmen bei km 30 abreißen lassen und er fällt zurück. Der Knaller auf der Strecke ist dann der Einlauf in Rhens. Optisch klasse durch ein altes Stadttor laufend jubelt dann eine große Zuschauermenge den hier doch schon recht müden Athleten zu. Die alten Fachwerkhäuser geben einen sehr schönen Hintergrund ab. Das erinnert mich stark an den tollen Einlauf in Pirna beim Oberelbe-Marathon, mit dem dieser Lauf sehr gut zu vergleichen ist. Erste größere Wandergruppen dann am Ortsausgang von Rhens, denn hier ist die einzige zu diesem Zeitpunkt besonders giftige Steigung zu bewältigen.

Koblenzer Stadtgebiet wird in Stolzenfels betreten. Markantes Wahrzeichen ist Schloß Stolzenfels, eine als Schloß Anfang des 19. Jahrhunderts unter Friedrich Wilhelm IV. wiedererrichtete Burg, die im pfälzischen Erbfolgekrieg 1669 zerstört worden war. Unmittelbar dahinter die letzte Koblenzer Brauerei, die mich zum zweiten mal nach dem Braubacher Biergarten auf abwegige Gedanken kommen läßt... Hier zeigen Hitze und Laufdauer auch bei mir Wirkung. Zum Fotografieren habe ich gar keine Lust mehr und bin nur noch bemüht, meinen GeradenochuntervierStunden-Schnitt zu halten, was mir schwer genug fällt. Die Koblenzer Südstadt fängt uns ein und die lange, fast schnurgerade Mainzer Straße führt uns schließlich, vorbei am Kurfürstlichen Schloß, auf die Rheinpromenade, wo dicht gedrängte Zuschauer uns die letzten Meter versüßen.

Zu Füßen des großen Reiterstandbilds von Kaiser Wilhelm I. auf dem Deutschen Eck, am Zusammenfluß von Rhein und Mosel (der Name Koblenz leitet sich aus apud confluentes – bei den Zusammenfließenden ab), ist es dann geschafft. Was hat es damals für eine elende Diskussion gegeben, als ein Koblenzer Verleger sich bereiterklärte, das kriegszerstörte Denkmal auf eigene Kosten wiedererrichten zu lassen! Heute ist es der Touristenmagnet der Stadt. Bei sehr guter Zielverpflegung inkl. des hochbeliebten, mittlerweile häufig gebotenen, schäumenden isotonischen Getränks, können Wunden geleckt und Heldenberichte ausgetauscht werden. Hier treffe ich noch viele Laufkameraden „meiner“ LG Rhein-Wied, die wieder mal in Zusammenarbeit mit einem regionalen Sporthaus eine Gruppe erfolgreich auf den Marathon, dieses mal auf den Halbmarathon, vorbereitet hat. M. W. sind auch alle angekommen. Alexander lief übrigens in 4:14 Std. ein und verbesserte sich damit gegenüber Bonn um 9 Minuten, und das bei dieser Wärme. Sub 4 sind für ihn bei noch besserer Vorbereitung sicherlich kein Thema.

Tja, was soll man sagen angesichts des Erlebten und dem eingangs geschilderten dramatischen Teilnehmerrückgang? Ohne Frage ist die Veranstaltung (von der ich nur Marathon und Halbmarathon beurteilen kann) perfekt und mit großem Einsatz erfolgreich vorbereitet und durchgeführt, der Aufwand an der gesamten Strecke erheblich. Das Hauptproblem ist m. E. der Zeitpunkt im immer (sehr) warmen Juni. Im kommenden Jahr soll am 01.06. gelaufen werden, das könnte schon helfen. Bei der Premiere in 2005 sorgte das Neue für Resonanz, die 2005er Hitzeschlacht für einen fast logischen Rückgang in 2006, der 2007er Einbruch hat sicher neben der Wärme vielschichtige Gründe. Es wäre sehr schade, wenn es diesen schönen Lauf aus wirtschaftlichen Gründen bald nicht mehr gäbe.

Streckenbeschreibung:
Überwiegend flach und fast völlig asphaltiert, über weite Strecken entlang des Rheins.

Wettbewerbe:
Running Marathon, Running Halbmarathon, Skating Marathon, Skating Halbmarathon, Nordic-/ Walking Halbmarathon, Team-Marathon

Startgeld Marathon:
49 € bis zum 30.04., 57 € bei Nachmeldung. 10% Nachlaß bei Teilnahme am Rheinland-Cup (Mittelrhein- und Köln-Marathon)

Zeitnahme:
Champion-Chip

Leistungen:
Funktionsshirt, (Sonder-)Bahnfahrt zum Start, Medaille, Pastaparty, Individuelles Weißbierglas und 1 Flasche Weißbier, kostenlose Massagen, Urkunde zum Herunterladen.

Logistik:
Start- und Zielgelände mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Pkw (nicht über die B 9!) gut erreichbar. Kleiderabgabe am Start, Ausgabe am Ziel.

Verpflegung:
Alle 5 km Wasser und Iso, ab km 15 zusätzlich Bananen und Riegel, ab km 35 Cola. Zusätzlich ab km 7,5 Wasserstellen.

Zuschauer:
In den Orten durchgängig tolle Stimmung, dazwischen überwiegt der heiße Asphalt...