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1. Ondiri Swamp Marathon Run am 01.02.2014


Hakuna matata

Zum zweiten Mal besuche ich meine Freunde Joseph und Henry, den ersten kenianischen Paralympicssieger, und ihre Familien in ihrer Heimat. Schon mehrfach habe ich über sie berichtet, u.a. vom Nairobi-Marathon 2011. Wer sie (noch) nicht kennt, kann sich gerne auf meiner Internetseite informieren:

http://www.bernath.info/html/keniahilfe.html

Ich bewundere ihren karitativen Einsatz für die Ärmsten der Armen in ihrem Land und unterstütze sie nach Kräften in ihrem segensreichen Wirken. Dank meiner Freundschaft mit dem Österreicher Michael Dorfstätter, wie ich ebenfalls begeisterter Marathonläufer, habe ich noch im vergangenen Dezember eine große Hilfslieferung kostenfrei nach Kenia fliegen können und auch diesmal kommen wir nicht mit leeren Händen. Dank der Großzügigkeit von vielen von Euch und der KLM, die die Mitnahme von jeweils zwei Gepäckstücken á 23 kg pro Person gestattet, haben wir wieder viele Laufschuhe, Fußballsachen und erstmals auch gebrauchte Handys dabei. Eigentlich wollten wir, das sind meine Tochter Vicky und ich, uns nur auf den Besuch verschiedener Projekte und etwas Touristik beschränken, aber manchmal kommt es anders als geplant.

Kaum angekommen, erzählt uns Henry, daß er neben seinem Hope of the future run am nächsten Tag erstmals einen neuen Benefizlauf veranstaltet. Quasi um die Ecke liegt mit dem Ondiri Swamp der zweitgrößte Sumpf Afrikas, der akut gefährdet ist. Es werden nämlich ungeklärte Abwässer hineingeleitet, was wiederum den weiter nördlich gelegenen Lake Naivasha gefährdet, der über eine unterirdische Verbindung vom Ondiri Sumpf mit Wasser versorgt wird. Darüber hinaus wollen sie im großen Umfang Bäume pflanzen. Er hätte gerne, daß ich mitlaufe. Welch eine Frage!!!
 

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„Gott gab den Europäern Geld und den Afrikanern Zeit“, so heißt es. Ganz nach diesem Motto werden wir um 8 Uhr abgeholt, um 9 Uhr solle es losgehen. Als wir nach wenigen Minuten im Start- und Zielbereich eintreffen, sind bereits eine Menge Menschen, v. a. viele Schulkinder, vor Ort und gaaanz langsam beginnt man auch, das Start- und Zielbanner aufzubauen. Hakuna matata (keine Sorgen, null Probleme) – wer kennt diesen Spruch nicht aus Disneys „König der Löwen“? In aller Gemütsruhe werden auch noch Schilder gemalt. Das alles bekommen wir aber nur am Rande mit, denn wir „Mzungus“ (Weiße) sind zweifelsfrei die Attraktion des Tages. Fast alle Kinder kennen Mzungus nur aus dem Fernsehen, umringen uns daher, sind superfreundlich und schüchtern zugleich. Einige sind ganz mutig und berühren uns vorsichtig mit den Fingerspitzen. „Na, Ihr Kinder“, frage ich, „könnt Ihr einen Unterschied zwischen weißer und schwarzer Haut erkennen?“ Das hätte ich besser für mich behalten, alles fällt über uns her, zupft an den Armen, den behaarten Beinen (meinen!) und der aus dem Laufshirt lugenden Brusthaarperücke. Es ist herrlich. Ich schieße Fotos und zeige ihnen die Resultate. Natürlich will jetzt jeder selber ein Foto machen und sie lachen sich scheckig. Ist das schön!
 

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In der Zwischenzeit hat Renndirektor Joseph mehrere Zelte für die reichlich anwesenden Honoratioren aufbauen lassen, laute Musik wummert aus dicken Boxen, das bzw. die Banner stehen mittlerweile auch, wir haben unsere Startgebühr von 100 KES (knapp 90 €-Cent) entrichtet und so gegen 10 Uhr (ursprünglich hatte es sogar schon um 8 Uhr losgehen sollen) scheint es loszugehen. Noch während ich ein Foto der ersten Startreihe knipse, ertönt der Startschuß.

Alles stürmt wie gestört los, darunter Will, der mit uns beiden die Mzungu-Fraktion bildet. Er ist für ein mehrmonatiges Trainingslager nach Kenia gekommen, ist Student aus Oklahoma, hat eine pB von 14:16 min. über 5.000 m (!) und wird nach dem Lauf in die Läuferhochburg nach Iten ins Hochland weiterziehen (aber auch hier laufen wir schon auf 2.000 m Seehöhe). Wir haben mit Joseph am Vortag die hügelige Strecke abgefahren, dementsprechend Respekt hat meine Tochter vor dem Lauf. Deswegen und aus Bedenken, sich verlaufen zu können, habe ich ihr versprochen, zusammenzubleiben. Obwohl die Kreidemarkierungen auf dem Boden nicht zu übersehen sind, zudem werden ihre Bedenken, Letzte zu werden, schnell zerstreut. Viele der Kinder und Jugendlichen sind noch langsamer als wir, was Josephs Aussage bestätigt, kenianische Lehrer legten auf Sport keinen großen Wert und die Jugend sei insgesamt eher bewegungsfaul. Ihr habt richtig gelesen!
 

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7 km erwarten uns, der Begriff „Marathon“ für den Ondiri Run wird hier wohl sehr großzügig ausgelegt. Vorbei an einer Fabrik für Büstenbehälter, bei der ich nicht als Qualitätskontrolleur bei der Anprobe reüssieren darf, laufen wir zunächst auf Naturwegen an Unterkünften unterschiedlichster Qualität vorbei. Der derzeitige trockene Hochsommer mit Mittagstemperaturen von Ende 20° beschert uns staubige Verhältnisse, die sprichwörtliche rote Erde Afrikas ist allgegenwärtig. Das langsame Tempo ermöglicht es mir immer wieder vorauszulaufen und Fotos zu machen.

Die Kinder und Jugendlichen scharen sich ständig um Vicky, etliche ergreifen ihre Hände und laufen so mit ihr zusammen. Ein tolles, beeindruckendes Bild, das sich mir da bietet. Vorbei an Mais- und anderen Feldern erkennen wir nicht zum ersten Mal, daß dieses Land für landwirtschaftliche Nutzung wie geschaffen ist. Wenn mehr Solidarität unter der Bevölkerung herrschte, könnte es auch den Ärmsten besser gehen. Solange aber ein steinreicher Kenianer mit entsprechendem Anwesen 50 m neben einer Blechhütte wohnt und sich nicht im Geringsten um seine Nachbarn kümmert, wird sich so schnell nichts ändern.
 

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Auffällig ist die Art der Bekleidung, welche die Läufer tragen. Von Schuluniform über normale Straßenkleidung, Sportsachen und teilweise abenteuerlichem Schuhwerk, falls überhaupt, ist alles zu sehen. Wieder wird mir klar, wie unsinnig die Frage ist, was die Leute hier brauchen können. Schlicht und ergreifend alles. Wir unterlaufen die Großbaustelle der neuen Autobahn und folgen nach der Unterführung den vor uns Laufenden. Ein scharfer Pfiff und Schreie veranlassen uns zurückzukehren und geradeaus weiterzulaufen. Einziger Organisationsfehler: Man hat nicht bedacht, daß von hunderten Füßen überlaufene Kreidemarkierungen im Staub nicht mehr zu erkennen sind.

Dann verlassen wir für wenige hundert Meter die Piste, kommen an den beiden Kliniken vorbei, in deren Gästehaus Henry uns wieder untergebracht hat (25 $/Tag für Vollpension) und genießen einige Teerabschnitte. Oder auch nicht, denn die vielbefahrene Straße ist natürlich nicht im Mindesten abgesperrt. Dann ist es schön, wieder auf Naturwege zurückehren zu können. Vorher bin ich noch, nachdem ich von Vicky freie Fahrt bekommen habe, an drei wandernden Jungs vorbeigelaufen. Meine Frage, ob es sein könne, daß ein Mzungu schneller als Kenianer sein könne, verleiht ihnen kurzfristig nochmals Flügel.
 

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Wieder kommen wir zur Großbaustelle, die wir diesmal überqueren. Beeindruckend ist es, was hier aus dem Boden gestampft wird. Übrigens sehr viel mit chinesischer Unterstützung. Die machen sich zwar kaum entbehrlich, deswegen aber nicht sympathischer, wohnen in Ghettos  haben null  Kontakt zur Bevölkerung und anfangs selbst die einfachen Arbeiter – chinesische Strafgefangene – gestellt. Erst nach massiver Intervention der kenianischen Regierung bekommen jetzt auch die Schwarzen Arbeit und damit die Chance, sich selbst und ihre Familien durchbringen zu können.

Dann freue ich mich, auf der Strecke Grace, die Trainerin der von Henry unterstützten Lauftruppe, einzuholen und nach zweieinhalb Jahren auch wiederzuerkennen. U. a. sie ist Empfängerin der zahlreichen Laufschuh- und Sportbekleidungsspenden, die viele von Euch mir haben zukommen lassen. Es ist schon witzig, wohlbekannte Shirts heimischer Laufveranstaltungen wiederzusehen, auch das Logo von 7G-runergy, dem Bad Honnefer Laufladen, auf den genau so wie auf das Laufzentrum Rheine – beide zeigen sich regelmäßig großzügig - Verlaß ist. Danke, Volker, Christoph und Thomas!
 

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Schon bald höre ich das Wummern der Lautsprecher, Moderation (nein, der VanMan war nicht hier!) und unter lauten Anfeuerungen lege ich die letzten Meter zurück. Glücklicherweise gibt es genug Wasser, um die staubige Kehle wiederzubeleben. Wie lange ich gebraucht habe? Nicht die geringste Ahnung, das ist auch völlig unwichtig, trotzdem gibt es für jeden Teilnehmer eine Blanko-Urkunde, die wir mit unseren Namen versehen können. Was will man für 90 Cent mehr? Eine After-Run-Party, die sich gewaschen hat. Alleine das, was wir jetzt geboten bekommen, war die Reisestrapazen wert.
 

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Zunächst führt eine Gruppe den traditionellen Kikuyu-Tanz auf. Die Kikuyu sind die größte der 42 kenianischen Ethnien. 42? Mir geht ein Kronleuchter auf, als mir schlagartig bewußt wird, warum die Jungs und Mädels jeden Marathon gewinnen. Das ist keine Frage des Trainings, sondern lediglich der Herkunft! Eine beruhigende Erkenntnis. Eine zweite Gesangsdarbietung auf der Bühne ist sehens- und hörenswert, dann folgt eine Art Theaterstück, das ich nicht ganz verstanden habe, aber wohl das Verhältnis Lehrer zu Schülern und umgekehrt zum Inhalt hat. Dem Ganzen wohnt sicher auch ein erzieherischer Sinn inne. Der absolute Hammer ist dann der abschließende traditionelle Tanz in entsprechenden Kostümen, ein Augen- und Ohrenschmaus.
 

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Ich überlege, ob ich versuchen soll, eine Laufreise nach Kenia, vielleicht im November zum Masai Mara-Marathon, in Zusammenarbeit zwischen einem guten Laufreiseveranstalter und meinen Jungs initiieren soll. Eine Woche mit einfacher Unterkunft und guter Verpflegung, täglichen Läufen und etwas Sightseeing und der Möglichkeit einer örtlich organisierten Anschlußreise zu einem oder mehreren Nationalparks. Was meint Ihr dazu? Über ein paar Meinungen würde ich mich freuen.


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