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4. Ibiza-Marathon am 02.10.2021

Run on the sun

Von ungewöhnlichem Ort starte ich nach viel zu langer Zeit des Nichtdürfens mein nächstes internationales Laufabenteuer. Weeze, offiziell Düsseldorf-Weeze, hat mit Düsseldorf genau so wenig zu tun wie der Hahn mit Frankfurt. Aber der kleine, ehemalige britische Flugplatz hat viele Vorteile, denn es ist kaum etwas los, daher geht alles ruckzuck vonstatten.

Der Flieger der irischen Billigfluglinie präsentiert sich ungereinigt, was ich bisher noch nicht erlebt habe. Zudem nerven Sophia und Carla mit Dauergeplärre, man sollte mit Kleinstkindern besser nicht fliegen. Unsere nordwestlichen Nachbarn verfügen doch über eine ausreichende Anzahl Wohnwagen, sollte man meinen, da gehen sie nur den Eltern auf den Keks. Egal, die optisch mehr als ansprechende Flugbegleiterin kümmert sich rührend um einen alleinreisenden älteren Herrn, da bin ich doch gleich wieder deutlich besser gelaunt und gebe voller Hingabe den Charmeur.

Kaum zweieinhalb Stunden später und nach einer hübschen Schleife über Mallorca landen wir auf Ibiza, der ganzjährig frostfreien Insel der Schönen, Reichen und ganz schön Reichen. Wobei ich die in der Umgebung meines mit dem öffentlichen Bus schnell erreichbaren Hotels in Ibiza-Stadt, eines der beiden offiziellen Athletenhotels (das andere befindet sich in Santa Eulària des Riu), nicht entdecken kann. Meine unmittelbare Umgebung in Ibiza-Stadt versprüht den leicht morbiden Charme des Massentourismus vergangener Tage, obwohl man an etlichen Stellen sichtlich bemüht ist, die Situation zu verbessern. Keine zweihundert Meter weiter am Strand empfängt mich dann direkt das erhoffte typisch mediterrane Gemisch aus Palmen, Oliven, Sand, Wasser, Kleinboothafen und Strandpromenade. Wobei ich abends am großen Hafen die eigentliche Flaniermeile entdecke, und die entspricht schon sehr viel mehr dem, was man so gemeinhin mit Ibiza verbindet.

 

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Nicht nur in der Vergangenheit war die Insel, katalanisch und amtlich Eivissa genannt und mit einer Fläche von 572 km² drittgrößte der Balearen im westlichen Mittelmeer, beim Jetset beliebt. Auch – hier spricht der Fachmann – Udo Dirkschneider, Gründer und lange Zeit Frontmann der deutschen Heavy Metal-Truppe Accept und heute U.D.O., hat zehn Jahre hier gelebt, wenn er nicht auf Tour war. Warum ich das weiß? Arne war gefühlte hundert Jahre sein Tontechniker und ist Mitglied meines Lauftreffs. Und nicht nur er hätte mich nach meiner Anreise bereits am Donnerstag sicher gerne Freitag früh in völliger Dunkelheit beim Morgenjog über die Strandpromenaden begleitet. Sehr schön, so etwas gefällt mir und schafft die Basis für ein großzügig dimensioniertes Frühstück ohne schlechtes Gewissen.
 

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Da die Marathonmesse erst am späten Mittag öffnen wird, gibt mir das als vielleicht nicht ganz perfekte Vorbereitung für den morgigen Lauf die Gelegenheit, noch ein wenig die Gegend unsicher zu machen. So ist das halt mit uns vagabundierenden Marathonenthusiasten: Z.B. laufen sich Judith und Andreas im Berliner Zoo die Beine müde, ich in Ibiza Stadt die Füße wund. Die führen mich hinauf auf das hochinteressante, riesengroße Kastell (freier Eintritt), von dem aus man einen wunderbaren Blick in alle Himmelsrichtungen hat. Es sind sehr umfangreiche Restaurationsarbeiten im Gange, was der Attraktivität der Stadt sichtlich guttut. Die Bebauung in diesem wohl ältesten Teil der größten Ortschaft der Insel ist wirklich attraktiv, gut, daß ich mich hier hochgeschleppt habe. Die innere Altstadt („Salt Vila“) ist noch mit einer vollständig erhaltenen Stadtmauer umgeben. Einen Blick in die älteste katholische Kirche, die der Hl. Maria geweihten Kathedrale, sollte man nicht versäumt haben.

Marathonmesse

Dem Stadtrundgang folgt nun endlich mein Gang auf die ab 14 Uhr im Palacio de Congresos de Ibiza geöffnete Marathonmesse, was, der Strecke des Marathons geschuldet, nicht ganz ohne Aufwand ist. Diese nämlich führt, mit einigen Schlenkern versehen, von Ibiza-Stadt im Süden zum rund zwanzig km weiter nordostwärts gelegenen Santa Eulària des Riu, ist also kein Rundkurs. Und eben dort wird die Messe veranstaltet. Ohne Zweifel ein Vorteil für die hier Residierenden, dafür werden die am Samstag zum Start nach Ibiza-Stadt fahren müssen. Und ich nach dem Ende wieder zurück, wofür aber auch die im Startpreis inkludierten Shuttlebusse angeboten werden.
 

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Vor dem Eintritt bekomme ich sofort eine Pistole auf die Stirn gedrückt. Aber nein, es sind keine Taliban, nur Helfer, die aus Pandemiegründen die Temperatur messen. Obwohl ein heißer Typ, komme ich problemlos durch. Die kleine Messe beinhaltet neben der Ausgabe von Startnummern, Shirts und Starterbeuteln einen allgemeinen Verkaufsstand mit Sportartikeln sowie einen mit preislich überschaubaren, durchaus attraktiven Veranstaltungsdevotionalien. Wohl ebenfalls coronabedingt liegt das generelle Angebot deutlich unterhalb des bisher hier Üblichen. Beide Mädels, die eigentlich verkaufen sollten, zeigen sich an ihrer Aufgabe maximal uninteressiert, daher bleiben die Euros im Portemonnaie und der Wolli ist schnell wieder draußen. Das hübsche Veranstaltungsshirt als Erinnerung ist erfreulicherweise auch im Startgeld inbegriffen.

Die ungewöhnliche Startzeit von 15:30 Uhr am Samstag bringt den Tagesablauf eines an einen morgendlichen Start gewöhnten regelmäßigen Marathonläufers gehörig durcheinander. Einerseits möchte man ja von der Umgebung möglichst viel sehen, sich andererseits aber vorher nicht zu müde machen, wir sprachen bereits darüber. Ich, der ich normalerweise Hummeln im Hintern habe, entscheide mich doch tatsächlich fürs Abhängen am und vor allem im erfreulicherweise vorhandenen Hotelpool. Dann bleibt die Frage mit dem Mittagessen zu lösen, ob ja und wenn, was man essen sollte, damit dies nachmittags nicht zu sehr belastet. Ganz gesundheitsbewußt entscheide ich mich für Obst und hoffe, daß die gestern Abend und heute Morgen eingefahrenen Kohlenhydrate ausreichend sein werden. Joes unvergessene Ente cross wäre da sicherlich nicht erste Wahl.
 

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Start an der Strandpromenade Ibiza Hafen

Zum Startgelände auf der Flaniermeile von Ibiza Port, das ich mir bereits von der Festung aus von oben angesehen hatte, sind es gute drei km, die ich mir schon mit dem Bus zurückzulegen vorgenommen hatte. Glücklicherweise fällt mir noch rechtzeitig ein, daß ich auch schon Ultras gelaufen bin, also verschmähe ich die öffentlichen Verkehrsmittel und schlendere gemächlichen Schrittes am Wasser entlang zum Ort des Geschehens. Unterwegs entdecke ich einige weitere attraktive Straßen und Plätze der quirligen Altstadt, aber auch, daß es heiß zu werden verspricht. Es ist zwar nur 25 Grad warm, aber die Sonne brennt ungebremst vom Firmament, nachdem sich die Schleierwolken verzogen haben. Alle suchen Schattenplätze auf, die sind aber reichlich vorhanden.

Der Conferencier redet sich einen Wolf, leider aber nur in spanischer Sprache, der ich nicht mächtig bin. So kann ich mir nur wenig zusammenreimen und halte mich ans Beobachten. Sehe die beiden vermutlich „eingekauften“ Kenianer beim Warmlaufen und verfolge die letzten Vorbereitungen. Einer der beiden, Jamin Ekai, der spätere Sieger, kann nicht nur laufen, sondern auch singen. Sein aktuelles Lied wird abgespielt und zur allgemeinen Erheiterung tanzen er und der Moderator Arm in Arm und lachen sich dabei kaputt. Also, die Stimmung stimmt schon mal.

Fünf Blöcke, in die wir uns eine Viertelstunde vor dem Start einzufinden gehabt hätten, stehen bereit: Jeweils unter 3.00, 3:30, 4:00, 4:30 sowie über 4:30 Stunden. Auch hier gibt’s wieder beim Betreten die Knarre an die Stirn zur Temperaturmessung, das Tragen einer Maske ist obligatorisch, auch darf die erst nach 200 m abgenommen werden. „Arrrrrriba!“ schreit der Moderator ins Mikrofon, und dafür braucht niemand eine Übersetzung. In Kölle hätte es geheißen: „Und dann die Hände zum Himmel, kommt lasst uns fröhlich sein!“. Bald danach fällt der Startschuss und selbst von fast ganz hinten bin ich schnell über die Zeitmessmatte im Rennen. Recht zügig geht es los, selbst hier. Ich schaue auf die Uhr: 5:30er Schnitt, eindeutig zu schnell für mich, ich lasse mich zurückfallen. Nicht wenige von den Heißdüsen werde ich im Verlauf der 42,2 km wieder einsammeln.
 

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Die ersten paar hundert Meter entlang des Hafenbeckens sind ein Hochgenuss: Sonne, Wasser, Palmen, Urlaub pur. Imme und Mio Kock sind unschwer als Germanen zu identifizieren und kennen Marathon4you.de nicht, ja gibt’s denn so was? Diese Bildungslücke ist schnell geschlossen und, vorbei an dicken Yachten, bewegen wir uns stadtauswärts über einen großen Kreisverkehr mit metallenen Windhunden hin zu einer Cheerleadergruppe, die ihr Bestes gibt und ganz zu recht viel Beifall erhält. An einer Nebenstraße empfängt uns zum ersten Mal ein nettes Mädel mit dicken Boxen auf dem Pickup und macht uns musikalisch Beine. Nette Villen rechts und links sind durchaus etwas fürs Auge, eine hohe Mauer spendet hochwillkommenen Schatten. Es geht in einen ländlicheren Bereich, Felder und Gärten begleiten uns, Bougainville und Oleander blühen um die Wette.

Schnell hat sich das Feld auseinandergezogen, die ersten fünf km sind abgearbeitet. Von Verpflegung keine Spur. Ok, in der Ausschreibung stand etwas von Wasserversorgung alle zehn km, aber richtig ernstgenommen hatte ich das nicht. Ich beglückwünsche mich zu meiner Entscheidung, die Wasserflasche nach dem Start nicht entsorgt, sondern mitgeschleppt zu haben. Auch schwitze ich stark und bin heilfroh, aus Bordmitteln nachtanken zu können.  Um mich herum hängen den Leuten die Zungen aus dem Hals, ich beobachte die ersten Ausfälle. Wir kommen erneut an den Cheerleadern vorbei, denen das Puscheln noch nicht vergangen ist.
 

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Natürliche, schattige Plätze in Camí Vell de Sant Mateo

Bei Kilometer 9 haben wir den Ort Puig d’En Valls verlassen, die Strecke führt uns über den Camí Vell de Sant Mateo. Km 10, die erste Versorgung! Die Verdurstenden plündern den Stand, ich lasse meine Flasche auffüllen, man weiß ja nie. Der bisher flache Charakter der Strecke beginnt sich zu verändern und wird leicht wellig, zumindest nach meinem Empfinden. Ich werde am Ende Bauklötze staunen, daß stolze 400 Höhenmeter zusammengekommen sein werden, die ich kaum empfunden habe. Gärten, Felder und einzelne Gehöfte wechseln sich ab. Froh sind wir über jeden Meter Schatten, den Mauern oder dichtere Gehölze spenden, die Hitze empfinde ich deutlich höher als das Thermometer anzeigt. Das ist spätestens jetzt der Moment, in dem aus ersten Gedanken Gewissheit wird und der Berichtstitel entschieden ist. Auch wenn der Vergleich gewaltig hinkt, erinnert mich der Lauf in einer gefühlten Bratpfanne an den phantastischen Film über die 2000er Ausgabe des mörderischen Rennens über 217 km durchs Death Valley, „Run on the sun“. Zugegebenermaßen herrscht dort zu Spitzenzeiten die doppelte Gradzahl, aber das hier und heute reicht mir schon vollkommen.

Noch jemandem ist in Zusammenhang mit Ibiza heiß (und vermutlich auch kalt) geworden. Wer erinnert sich an die sog. Ibiza-Affäre? Richtig, das war doch diese Geschichte mit u.a. dem damaligen österreichischen Vizekanzler Heinz Strache in einem Hotelzimmer. Das filmisch heimlich dokumentierte Treffen mit dubiosen Gesprächspartnern hatte seine Bereitschaft zur Korruption, Umgehung der Gesetze zur Parteienfinanzierung sowie zur verdeckten Übernahme der Kontrolle über parteiunabhängige Medien offenbart. Wir aber konzentrieren uns besser wieder auf die sportlich-angenehmen Seiten der drittgrößten Baleareninsel, die sich übrigens großer Beliebtheit erfreut: Der Ausländeranteil der knapp 150.000 Einwohner beträgt etwa 20 Prozent, der Anteil deutscher Einwohner liegt bei rund 3 Prozent. Seit 2001 ist die Zahl der dauerhaft auf Ibiza lebenden Menschen um mehr als 60 Prozent gestiegen.
 

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Vor den Kilometern 12 bis 13 sowie 16 bis 18 hatte man uns gewarnt, es seien die steilsten Abschnitte der Rennstrecke, mir sind sie als solche nicht aufgefallen. Hallelujah, die nächste Verpflegung erwartet uns an km 15, die Befürchtung, wieder zehn km warten zu müssen, bewahrheitet sich nicht. Um es direkt zu sagen: Bis ins Ziel werden wir mit Wasser, Iso, Nüssen, Bananen und teilweise Gels fortan alle fünf km gut versorgt werden. Warum es nicht schon vor dem Start und erst recht nicht nach 5 km etwas gab, können nur die Veranstalter sagen. Zum ersten Mal überfallen uns wilde Gestalten, zunächst zwei Aneinandergekettete, deren Absichten mir nicht ganz klar sind. Auf jeden Fall sorgen sie für Kurzweil.

Halbmarathon in Santa Gertrudis

Schon beim Betreten der nächsten Ortschaft wird mir klar, warum Santa Gertrudis als einer der beliebtesten Orte auf Ibiza bezeichnet wird: Mit seinen weißen Häusern und Fußgängerzonen gilt er als eines der schönsten Gebiete der „Magical Island“, hier besitzt man unverkennbar Geld. Mit Absperrgittern hält man uns die Durchgangsstraße von Fußgängern frei, wirklich nötig ist es nicht. Ein Brautpaar erregt allgemeine Aufmerksamkeit und die wild applaudierenden Gäste der angrenzenden Bar haben unverkennbar die ersten Estrella oder Mahon bereits intus. Nach dem Passieren des mintgrünen Zieltores haben wir die Halbmarathondistanz geschafft. So ganz langsam beginnt die gefühlte Temperatur wegen der immer tiefer stehenden Sonne erträglicher zu werden, tatsächlich dürfte sich das Thermometer um keinen Millimeter verändert haben. Ich schwitze wie ein Schwein. Ständig ist das Objektiv meiner kleinen Kamera von Schweiß, Wasser oder Iso feucht, und ich habe nichts zum Abwischen. Die Suche nach wenigstens einem weggeworfenen Tuch beschäftigt mich die nächsten km, endlich werde ich fündig.

Bei Kilometer 22 soll sich der höchste Punkt des Rennens befinden, tatsächlich steht dort ein DJ in der Landschaft und geizt nicht mit ordentlichen Wattzahlen. Ländlich geht es weiter, sanft beginnen wir unseren Abstieg auf Meereshöhe. Durch schöne Landschaften und nette, schattige Pinienwälder versprüht die Insel ihren Charme. Eine Straße hat man für uns halbseitig gesperrt, die Schlange der immer wieder angehaltenen Fahrzeuge wird lang und länger. Ich registriere mit Respekt, daß sich niemand unwillig zeigt, aus manchem Auto dringt sogar lautstarke Anfeuerung.

Can Na Negreta - Puig d’en Missaund Santa Eulària im letzten Abschnitt

Wir nähern uns einer Stadt, die zu Füßen der Anhöhe Puig d’en Missa liegt. Das wird doch nicht schon? Doch ich irre mich nicht, das ist tatsächlich Santa Eulària des Riu, hier bei Kilometer 30. So ganz genau habe ich die Strecke scheinbar nicht im Kopf, wie mir jetzt bewusst wird, aber es ist sowieso müßig. Ich halte mich gerne an Emil Zatopeks beliebten Spruch: „Hier ist der Start, dort das Ziel, dazwischen musst Du laufen.“ Die Wahrheit kann so einfach sein. Hier, lieber Marco, habe ich natürlich nicht vergessen, die nächsten fünf km für Dich mitzulaufen. Ihm blutet das Herz, an solchen Veranstaltungen nicht mehr teilnehmen zu können. Gerade in den Marathonzirkus eingestiegen, entging er dem Herztod nach einer Schwerstoperation nur aufgrund seiner körperliches Fitness. Seid Euch der Gnade Eurer Gesundheit stets bewusst!
 

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Rechts unseres Wegs erkenne ich eine uralte Brücke, über die wohl die ehemalige Straße verlief. Umrahmt wird das Ganze durch eine ansprechende Parklandschaft. Ein attraktives Städtchen ist dies, dazu trägt der immer wieder von kleinen Fangruppen gespendete Applaus bei. Über die Hauptstraße führt man uns wieder aus Santa Eulària des Riu heraus, vor mir liegt eine elend lange Gerade. Sehe ich richtig? Tatsächlich, da kommt mir der erste Läufer entgegen, weitere folgen, sie sind willkommene Fotomotive. Dann die Radbegleitung der zweiten Frau, die sehr deutlich vor mir liegen muss. Oh je, werden das jetzt zweimal fünf km hin und zurück?

Der Strand von Es Canar

Nein, plötzlich sind die Begegnungen zu Ende, da habe ich wohl deren Abzweig übersehen. Die Schatten werden lang und länger, ich sehe fototechnisch im wahrsten Sinne des Wortes schwarz für die letzten km. Aber es war bei realistischer Betrachtung klar, daß ich das Ziel nicht mehr bei Tageslicht würde sehen können. Wir nähern uns unzweideutig einem Hafen- bzw. Strandabschnitt und ich komme echt ins Schleudern, ob ich mich verlaufen haben könnte. Keiner vor und niemand hinter mir, das wäre ja ein schöner Mist. Puh, Glück gehabt, das 36km-Schild taucht auf und die Sonne ab, ihre letzten Strahlen fange ich über einem Campingplatz ein. Auf einer Verkehrsinsel, schon von weitem zu hören, arbeitet sich eine Rockband ab. Und wieder, wie ich es schon so oft bei meinen Läufen beobachten konnte, baut sich so ein Depp vor denen auf und gibt den Headbanger. Diese Burschen jedoch bleiben völlig ungerührt und verziehen keine Miene, weshalb ich schon bald nach nur einem Foto weiterziehe und sie ihrem weiteren Schicksal überlasse.

Punta Arabí und letzte Kilometer

Wieder tauchen solche verkleideten, schrägen Vögel auf, deren Wollen sich mir nicht erschließt. Aber sie bleiben friedlich und machen auf gute Laune. Nach einer ausgedehnten Runde teils entlang der Platja d’Es Canar und in Punta Arabí, die ich erst hinterher auf der Karte richtig als solche erkennen werde, kommen wir schließlich zum Kreisverkehr mit den rockenden Jungs zurück. Sie hauen weiter in die Saiten, was das Zeug hält, bleiben aber auch beim zweiten Foto äußerlich unbeeindruckt. Wenigstens das Publikum ist bei der Sache und feuert uns unverdrossen an.

Jetzt ist es an mir, die elend lange Gerade in umgekehrter Richtung zurückzulegen. Auto- und motorradbegleitet glaube ich das laufende Schlusslicht zu erkennen, aber dahinter kommen immer wieder weitere, es befinden sich also doch noch etliche Läufer auch mit größerem Abstand hinter mir. Ich glaube nicht, daß davon alle innerhalb des Zeitlimits von 5:30 Std. angekommen sein werden. Die Zahl der Begleitfahrzeuge, ob auf zwei oder vier Rädern, ist wirklich beeindruckend, die Betreuungsdichte sehr hoch. Hier gehst Du definitiv nicht verloren, sollte es Dir schlecht gehen.
 

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Die magische Ziellinie am Strandvon Santa Eulària des Riu

Km 40 ist erreicht und das Ende wird absehbar. Allerdings sehe ich nicht mehr viel, denn ich laufe im allerletzten Büchsenlicht, längst ist die Straßenbeleuchtung eingeschaltet. An mehreren alten Türmen und am Hafenbecken vorbei betrete ich die Strandpromenade von Santa Eulària des Riu. Das ist etwas, das mir immer wieder und natürlich auch hier besonders gut gefällt: Nach anstrengenden über 40 km läufst Du auf einer durchaus spektakulären Strecke, links das Meer, rechts zahlreiche, gut besetzte Restaurants, deren Gäste mehr mit Dir als mit ihrem Essen beschäftigt sind, Du genießt ein hohes Maß Aufmerksamkeit. Dann liegt ein blauer Teppich vor mir, die Farbe erinnert mich an den Zieleinlauf des gar nicht so weit entfernten Valencia und kurz darauf habe ich unter dem blauen Zielbogen fertig.

Ein kleiner Nachbrenner, weil ich es bisher noch nicht erwähnt hatte: Dieser hier ist blau, der zur Halbzeit war grün. An diesen Farben kann man immer und überall erkennen, wer auf welcher Distanz unterwegs ist (grün 21 km, blau 42 km). Sogar die Shirts sind unterschiedlich! Ich werde mit einer Wärmefolie behängt, was tatsächlich sinnvoll ist, denn trotz der unverändert hohen Temperatur ist man ausgelaugt und, klatschnass geschwitzt, dem Wind ausgesetzt. Nach dem Empfang der Zielverpflegungstasche (Wasser, Iso, Banane, Orange, Knabbergebäck) krame ich aus dieser auch meine wohlverdiente Medaille hervor. Deren Design ist, nun ja, entwicklungsfähig. Etwas Besonderes ist sie auf jeden Fall dadurch, daß man dem ursprünglichen Datum (April 2020) das aktuelle hinzugefügt hat.

Dann, ja dann, wäre ich eigentlich am Ende meines Berichts angelangt, wenn ich nicht noch zurück nach Ibiza Stadt hätte fahren müssen. Hierfür hatte man sich im Vorfeld für einen Bus anmelden können. Nur – wo steht der? Ich sehe keinen Hinweis, frage mehr und mehr Personen, niemand weiß etwas. Ich tue mich mit einer Tunesierin zusammen, die das gleiche Problem hat. Geteiltes Leid ist halbes Leid, aber das bringt uns beide nicht weiter. Wir laufen von Pontius nach Pilatus und erfahren endlich, daß wir zum Rathaus müssen. Sie hat glücklicherweise ihr Handy dabei, sodass wir mit Hilfe von Fräulein Google schließlich dorthin finden. Auf der Hälfte lesen wir noch ein paar hilflose Engländer auf, und sind gemeinsam mit denen und vielen anderen in gerademal einer Viertelstunde wieder am heutigen Ausgangspunkt.

In einem US-amerikanischen Spezialitätenrestaurant fülle ich die Fettspeicher wieder auf und trolle mich die drei km wieder zurück zu Fuß zum Hotel. Am nächsten Tag entläßt uns der nette Flugbegleiter (Sophia und Carla sind nicht an Bord) am Flughafen Weeze zur allgemeinen Erheiterung mit den Worten: „Welcome back to reality!“. Der war ich in der Tat für gute drei Tage entflohen, eine Zeit, die natürlich zu kurz ist, um einen vollständigen Eindruck der für mich bisher unbekannten Insel Ibiza zu erwerben. Doch war es, nicht zuletzt auch aufgrund der 42,2 km per Pedes zurückgelegten Erkundung, schön, all das angetroffen zu haben, was man gemeinhin von einem schönen Urlaub am Mittelmeer erwartet. Mein Reisehorizont jedenfalls hat sich wieder ein wenig erweitert.
 

Diesen Bericht gibt es mit deutlich mehr Fotos auch auf Marathon4you.de.


Streckenbeschreibung:
Abwechslungsreicher Punkt-zu-Punkt-Kurs inkl. 400 Höhenmeter. Zeitlimit 5:30 Std.

Startgebühr:
70 bis 90 €, je nach Anmeldezeitpunkt.

Weitere Veranstaltungen:
Staffelmarathon (21,1 + 21,1 km), die 12- und 20-km-läufe wurden in diesem Jahr abgesagt.

Streckenversorgung:
Wasser, Iso, später Bananen, Gel und Walnüsse.

Auszeichnung:
Medaille.

Leistungen/Logistik:
Funktionsshirt, Bustransfer zwischen Start- und Zielort.

Zuschauer:
In den Ortschaften netter Applaus kleinerer Gruppen.