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10. Etappe Deutschlandlauf am 25.07.2017

 

Der Transgermania lebt!

2. Berichtshälfte inkl. deren Fotos: Klaus Klein

„Ich höre auf!”, sprach er im Jahre des Heils 2012. Ernstgenommen hat ihn dabei niemand, denn das hatte er 2009 schon einmal verkündet und war (natürlich) rückfällig geworden. Nein, es geht um keinen alkohol-, nikotin- oder sonst wie drogensüchtigen Menschen, sondern um einen positiv Bekloppten, ohne den es das Geschäft der Superultraläufe auf deutschem und europäischem Boden gar nicht erst oder nicht so gegeben hätte. Ingo Schulze hat diesmal allerdings Wort gehalten, auch wenn er im „Kleinen” (dazu zählt u.a. der fünftägige Schwarzwaldlauf) doch noch weiter als Organisator auftritt. Mit den Transeuropaläufen (TEFR) und dem Deutschlandlauf (DLL) unter seiner Leitung ist allerdings wirklich finito.

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Es geht tatsächlich weiter

War’s das dann nach drei TEFR und 6 DLL für alle Ewigkeit? Mitnichten, denn die „Irren“ sterben Gott sei Dank nicht aus. Beim TEFR vernimmt man ermutigende Signale aus Frankreich und bzgl. des DLL wurden Fakten geschaffen: Oliver Witzke traute sich, den Faden aufzunehmen und die 2010 eingestellte Serie fortzusetzen. Mit leicht verändertem Ansatz ggü. früher, d.h. 19 anstatt 17 Tagesetappen zwischen 24 und 90 km, 1.300 km Gesamtlänge ggü. zuletzt 1.200 sowie von Sylt auf die Zugspitze anstatt von Rügen nach Lörrach, behält er das bewährte Konzept grundsätzlich bei. Als genialer Schachzug erweist sich dabei, die entscheidenden damaligen Akteure ins Boot geholt zu haben: Ingo als Berater im Vorfeld sowie Joachim Barthelmann als Streckenpapst. Andere bewährte Kräfte sehen es mir bitte nach, nicht namentlich genannt zu sein.

Eine Teilnahme am DLL, geschweige denn am TEFR, war für mich immer vollkommen utopisch gewesen. Aber gereizt hat es mich wie verrückt und Ingos seinerzeitiges Angebot, als Etappenläufer dabei sein zu dürfen (was natürlich auch seiner Kriegskasse gut tat), führte 2012 zu einer 30stündigen Momentaufnahme gemeinsam mit Jochen im Kreis der Transeuropaläufer. Die damaligen 64 km der 14. von 64 Etappen und das ganze Drumherum haben sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt.

Da Oli die Strecke in NRW und RLP in weiten Teilen am Rhein und damit einen gefühlten Katzensprung von meinem Zuhause entlang führt, stand die Teilnahme an einer Etappe, die er ebenfalls ermöglicht, sofort fest. Mit mir startet Co-Autor Klaus Klein, der es aus dem Sauerland auch nicht sonderlich weit hat, und wie ich als Obolus einen halben Euro pro km abdrücken durfte. Und weil wir beide für die Allgemeinheit gerne unseren schriftlichen und bildlichen Senf zum Lauf geben, teilen wir uns heute die Dokumentation: Für die erste Hälfte trage ich die Verantwortung, Klaus für die zweite. 

Bekannte Namen

Kurz vor dem Start um 7 Uhr komme ich mit Benni, der mich seit Linz begleitet, in Hersel, Ortsteil von Bornheim/Rheinland an, um 58 km - und damit zehn km weniger als den Durchschnitt aller Etappen - weitestgehend auf dem Radweg nach Mülheim-Kärlich bei Koblenz zurückzulegen. Die heutige Etappe ist die bisher mit Abstand kürzeste. Ob man nach bisherigen neun saftigen Ultras von einer Etappe zum Erholen sprechen kann, lasse ich mal dahingestellt. Die Langsameren der verbliebenen 3 Frauen und 42 Männer (gemeldet hatten 6 Läuferinnen und 55 Läufer, die m.E. auch alle auf Sylt losgelaufen waren), sind seit wenigen Minuten unterwegs. Als Etappenläufer starten wir mit den Schnelleren um 7 Uhr.
 

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Mit dabei sind – seht es mir nach, ich kann nur einige nennen – aus meiner Sicht mir bekannte wirklich illustre Namen: Robert Wimmer (3 x TEFR, 2003 Sieger), Henry Wehder (2 x TEFR, Sieger 2012 mit „Anlauf“ von Norwegen, auch beim aktuellen DLL ist er bereits am Nordkap losgelaufen!), Heike Pawzik (TEFR 2009), Manfred Leismann (1 x TEFR, 1 x Trans Amerika – 70 Jahre alt!) und eine Vielzahl weiterer erfolgreicher DLL-, Trans Gaule-, Marathon des Sables-, Baltic Run-, Badwater-, UTMB-, Spartathlon-, TAR- und sonstnochwas-Finisher. Wow! Besonders freue ich mich auch über die Komplettläufer Ralf, Georg und Mirko, die sich schon bei meinem Wiedtal-Ultratrail die Ehre gegeben haben. Letzteren hat’s allerdings mit Shin Splint schon zerrissen, schade. Wenigstens kann ich ihn mit ruhiggestelltem Bein am Ziel begrüßen. Von den rund zehn heutigen Etappenläufern sind mir Dietmar, Heinz, Klaus und Klaus sowie Benni bestens bekannt.

Wie schon von meiner Etappe des TEFR bekannt, geht vorne sofort die Post ab. Wer glaubt, dieser Wettkampf würde bei allen nur den Kampf gegen sich selbst bedeuten, irrt: Auch der gegen die Uhr ist für einige sehr präsent. Wie schnell war der Sieger des TEFR 2009 in 64 Tagen über 4.487,7 km gewesen? Er benötigte 378 Stunden, 12 Minuten und 44 Sekunden. Das kannst Du nicht einordnen? Bitte sehr: Sein km-Schnitt betrug 5:04 min. Mal 4.487,7 km. Also jeder Marathon in 3:32 Std. Richtig gelesen.

Damit des Wahnsinns nicht genug: Henry Wehder, gebürtiger Oberlausitzer aus Norwegen, befindet sich auf einem  Rekordversuch und ist, wie eingangs erwähnt, schon am Nordkap losgelaufen. „Run of my life 10.000 km“ heißt sein Projekt und er wird – auch hier richtig gelesen – insgesamt 10.000 km laufen! Und zwar ohne auch nur einen einzigen Ruhetag. Rund 2.000 km über Norwegen, Schweden und Dänemark hatte er beim Start des DLL schon auf dem Tacho und nach dem DLL geht’s quer durch Europa über Österreich, Schweiz, Frankreich und Spanien zunächst nach Gibraltar. Von dort wird ihn sein Weg über Spanien, Frankreich und Italien nach Griechenland führen, wo der Spartathlon ab dem 29. September seinen Zielsprint zur 10.000 km-Marke bilden wird…

Den Rhein zur Linken

Schnell sind wir am Rhein und bald schon ist über den Radwanderweg, dem wir viele, viele km folgen werden, das Stadtgebiet der „Bundesstadt“ Bonn, die den Verlust des größeren Teiles der Regierung sehr viel besser als erwartet kompensiert hat, erreicht. Nach 4 km unterqueren wir die erste von drei Bonner Brücken, zwischen denen jährlich der Drei-Brücken-Lauf auf einer 15 km-Runde ausgetragen wird. Die erste, die Nordbrücke, ist als Dauerbaustelle ein Quell täglichen Ärgernisses. Deutlich schöner wird es unter der zweiten, nicht nur wegen des ersten Verpflegungspunktes, sondern weil sie den Beginn der attraktiven Bonner Rheinauen markiert, die als ehemaliges Bundesgartenschaugelände heute ein hochbeliebtes Naherholungsgebiet darstellen. Wichtiger ist uns jedoch als Naherholungspunkt der erste von unterwegs 5 VP, an dem es, noch kurz nach dem Frühstück, „nur“ zu trinken gibt. Über die letztgenannte Brücke führt die erste Etappe des jährlichen Rheinsteig-Erlebnislaufs hinüber nach Beuel und über den Ennert ins Siebengebirge.
 

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Über die Streckenführung brauchen wir uns überhaupt keine Gedanken zu machen: Erstens müssen wir häufig genug nur geradeaus laufen, zweitens ist die Strecke mit kleinen Aufklebern in Augenhöhe und Farbmarkierungen auf dem Boden hervorragend ausgewiesen und drittens stellt Oli den kompletten GPS-Track zur Herunterladen zur Verfügung. Wer hier verlorengeht, dem ist wirklich nicht zu helfen. Wettertechnisch haben wir allerdings heute richtig ins Klo gegriffen. Obwohl, wenn man mental auf mindestens sieben Stunden teils starken Dauerregen eingestellt ist, kann man kurze  Tröpfelphasen als durchaus beglückend wahrnehmen.

Auf der Höhe Bad Godesbergs liegt gegenüber, auf der „schäl Sick“, der scheelen/falschen Seite, mit Oberdollendorf das nördlichste Weinanbaugebiet am Rhein. Was ist denn eigentlich so schäl an der gegenüberliegenden Rheinseite? Sind’s die Eingeborenen, ist’s die unattraktive Gegend? Lokal gibt uns Wikipedia folgende Erklärung: „In der Region Köln/Bonn bezieht sich der Begriff Schäl Sick nur auf die rechtsrheinischen Stadtteile. Eine mögliche Erklärung liegt in der frühmittelalterlichen religiösen Trennung der beiden Rheinseiten. Die Römer besiedelten am Niederrhein nur die linke Seite des Flusses. Der Rhein selbst bildete die Grenze zum Römischen Reich. Erst südlich von Remagen bei Rheinbrohl wagten sie sich auf die rechte Rheinseite und befestigten die Grenze in ihrem weiteren Verlauf mit dem Limes.
 

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Während sich das Christentum in den römischen Gebieten weit verbreiten konnte, blieben die Germanen auf der anderen Rheinseite hiervon noch lange Zeit unbeeinflusst. Die linksrheinischen Christen betrachteten die rechtsrheinischen Bewohner als Heiden, die dem Odin (Wodan) huldigten, welcher als einäugiger, schielender germanischer Gott bekannt ist, der bei den Christen als hinterlistig, tückisch und unberechenbar galt. Die Schäl Sick wäre demnach diejenige Rheinseite, auf der die unkultivierten Barbaren ihren Schäl Wodan verehrten.“

Bekanntes Terrain

Davon völlig unbeeindruckt setzen zwei unkultivierte Barbaren ihren gemeinsamen Weg fort. Wir passieren die Bundesmeile mit Langem Eugen, Wasserwerk, Bundespräsidialamt und nach dem 10. Km unterqueren wir mit der A 562 die vermutlich kürzeste Autobahn Deutschlands, die auf ihren 4 km aus kaum mehr als der Brücke selbst besteht. Die u.a. eigentlich gedachte Anbindung Bonns an die A 3 und weiteres ist nie realisiert worden. Bei km 16 liegt gegenüber Königswinter, das mit einem der sieben Berge, dem Drachenfels, einen immer noch sehr beliebten Ausflugsort bietet. Eine Zahnradbahn fährt mit Haltestelle am klassizistischen Schloß Drachenburg hinauf zu den Resten der Ruine Drachenfels. Die Drachenburg ist wetterbedingt gerade so zu sehen, der Drachenfels nicht einmal zu erahnen.
 

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Wenig später gibt’s am VP 2 erneut Atzung, das aber vom Feinsten mit allem, was das Herz begehrt, und kurz danach weht von Rhöndorf, der Heimat unseres ersten Bundeskanzlers, Dr. Konrad Adenauer, der Hauch der Geschichte zu uns hinüber. Einen (kostenlosen) Besuch seines ehem. Wohnhauses inkl. Führung lege ich Euch ans Herz. Es folgen Rommersdorf und Bad Honnef, 20 km sind geschafft. Apropos Bundeskanzler: Über das diesseitige Oberwinter passieren wir mit dem gegenüberliegenden Unkel die letzte Heimat von Bundeskanzler Willy Brandt.
 

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Freund Marco wartet bewaffnet vor dem dritten VP und schießt auf uns. Keine Sorge, er benutzt seine Kamera dabei und ermuntert uns verbal. Danke dafür, Marco! Der dritte VP, von Henry Wehders und Joachim Barthelmanns Frauen betrieben, beglückt uns wieder mit einem mehr als reichhaltigen Angebot. Joachim erinnert sich doch tatsächlich an mich als 2012er (!) Etappenläufer des TEFR und so kommen wir richtig ins Quatschen und vergessen fast die Zeit. Gerne wären wir noch geblieben, aber die Pflicht ruft. Zwei km weiter markiert das gegenüberliegende Kasbach den Beginn der Verbandsgemeinde Linz, hinter der ich daheim bin. Damit sind 28 km, also knapp die Hälfte der Etappe gelaufen. Ich nehme noch einen tiefen Schluck aus der Pulle und übergebe den Stab der Berichterstattung an Klaus.
 

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Zeitgeschichte zum Anfassen

Kurz nach VP 3 sehen wir nach Km 28 auf beiden Ufern jeweils zwei Brückentürme. 1918 noch von Kaiser Wilhelm II in Dienst gestellt, war die zweigleisige Eisenbahnbrücke („Ludendorff-Brücke“) gegen Ende des 2. Weltkriegs Schauplatz dramatischer Ereignisse: Nach mißglückter Sprengung durch die Wehrmacht auf dem Rückzug vor den anrückenden Amerikanern wurde sie von diesen am 7. März 1945 genommen und konnte zehn Tage lang genutzt werden. Von fünf standgerichtlich verurteilten deutschen Offizieren wurden vier hingerichtet. Am 17. März stürzte sie, durch Bombardierungen und deutsche Sprengversuche erheblich vorgeschädigt, unter der Belastung ein und wurde nicht wieder aufgebaut. Die Brückenköpfe stehen unter Denkmalschutz, der diesseitige beherbergt das Friedensmuseum; die Strompfeiler der Brücke wurden in den 1970er Jahren aus dem Flußbett entfernt.
 

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Auf der gegenüberliegenden Rheinseite in Erpel führte die Eisenbahn hinter dem Brückenportal in einen Tunnel durch die Erpeler Ley. Hier wird seit vielen Jahren im Sommer das Theater im Tunnel gegeben und mit „Die Brücke“ die damaligen Geschehnisse in anschaulicher Form erklärt. Leider ist die Sicht durch das schlechte Wetter stark beeinträchtigt. Kam es durch ein solches Wetter wie heute zu der bekannten Frage: Warum ist es am Rhein so schön?

Wir passieren Remagen, hart am Wasser laufend, und auch dessen Ortsteil Kripp. Rechts des Radweges liegen Campingplätze, offensichtlich ist hier ein beliebtes Erholungsgebiet. Eine Holzbrücke führt uns über die Ahr. Aus der Eifel kommend, mündet der Fluß hier in den Rhein. Das Naturschutzgebiet Goldene Meile nimmt uns auf. Wo sich heute die Erholungssuchenden tummeln, errichteten die Amerikaner 1945 Gefangenenlager für deutsche Soldaten. Das Prisoner of War Temporary Enclosure A2 befand sich zwischen Remagen und Kripp, Lager A5 von der Ahrmündung bis Niederbreisig. Unter freiem Himmel kamen viele der über 250.000 Gefangenen durch Hunger und Kälte ums Leben. Mich schaudert, als mir Wolfgang die Geschichte der Goldenen Meile erzählt.
 

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Wir laufen übrigens auf einem Weg der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Übrigens alles auf Asphalt. Heute gibt es keinen anderen Laufuntergrund.

Märchenwald

Vor Bad Breisig wartet ein Leckerbissen auf uns. Der VP 4 bietet uns willkommene Gaumenfreuden. Wir greifen zu. Insbesondere die leckeren Kartoffeln in Salz getunkt erfreuen sich großer Beliebtheit. Ein Straßencafe bietet wind- und regengeschützt wenige Meter später eine schöne Sitzgelegenheit und freundliche Ausflügler laden mich auf ein Bier ein. Wie hier so werden wir heute des Öfteren gefragt, was es denn so mit Läufern mit Startnummern auf sich habe. Auf unsere Infos zum Deutschlandlauf erfahren wir stets die gleichen ungläubig staunenden Reaktionen. Eigentlich ist es eine Schande, daß die sportlichen Höchstleistungen der Teilnehmer von der Öffentlichkeit fast unbemerkt vonstatten gehen.

Schilder am Radweg weisen auf den bekannten Märchenwald in Bad Breisig hin. Aber heute steht uns nicht der Sinn nach Hänsel und Gretel und wir orientieren uns rheinaufwärts nach Brohl-Lützing. An der Mündung des Vinxtbachs in den Rhein unterqueren wir sowohl die Bundesstraße 9 als auch die Eisenbahn und laufen über die Artilleriestraße nach Brohl-Lützing. Im Ort wird die B 9 erneut gequert und wir laufen wieder am Rhein. Das Rheintal ist hier um einiges enger als noch im Bonner Stadtgebiet.
 

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Der Spruch eines Mineralwasserproduzenten fällt mir ein und läßt mich lange Zeit nicht los: Trink Brohler und Dir ist wohler! Das sollten die mal meinem rechten Fuß erzählen. Der bereitet mir Probleme. Egal, wir konzentrieren uns auf den Weg. Über eine Brücke queren wir die vielbefahrene B 9 und laufen dann parallel zu ihr. Diesen Abschnitt finde ich nicht so prickelnd, aber auch solche Passagen gehören zu Deutschland bzw. dem Deutschlandlauf.

Burg Namedy

Wir verlassen endlich die B 9 und dürfen über weites Feld etwas abseits nach Namedy laufen. Vor Erreichen des Ortes kommen wir an der Burg Namedy vorbei. Das imposante Bauwerk stammt aus dem 14. Jahrhundert. Die ursprüngliche Burg wurde im 18. Jhdt. in eine barocke Schloßanlage umgebaut. Heute finden hier regelmäßig Konzertveranstaltungen und Theateraufführungen statt.

Wir laufen durch den Andernacher Stadtteil Namedy. Immer wieder überholen wir schon um 6 Uhr gestartete Deutschlandläufer. Bei den Gesprächen mit ihnen erfahren wir viel über die Belastungen, die eine solche Mammutlaufveranstaltung bedeutet. Die meisten haben Probleme und jeder hat seine eigene Taktik zum Überleben. So erzählt mir ein Läufer, er beginne stets mit einer Stunde Laufen und wechsele dann ab zwischen Laufen und Gehen. Wir bewundern die Läufer und haben großen Respekt vor ihnen.

Zwischen Namedy und Andernach erhalten wir Regenschutz durch die B 9, denn wir laufen unter der hier auf hohen Stelzen verlaufenen Bundesstraße. Unmittelbar am Ortseingang von Andernach werden wir zur Rheinpromenade herunter geleitet und VP 5 erfreut uns. Nach einigen hundert Metern an der schönen Rheinpromenade biegen wir ins Zentrum Andernachs, der Bäckerjungenstadt, ein und laufen durch die Altstadt. Angeblich konnten zwei wache Bäckerjungen – der Rest der Stadt schlief – den  nächtlichen Überfall der auf Rache sinnenden Linzer vereiteln, indem sie die bereits mit dem Rammbock in Position stehenden Angreifer mit Bienenkörben bewarfen und außer Gefecht setzten. 
 

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Nach dem Kurzbesuch der Altstadt geht es hinaus aus der Stadt, auf der verkehrsstarken Ausfallstraße bieten sich reichlich Einkaufsmöglichkeiten. Von LIDL über Kaufland, Netto und ALDI ist alles vertreten. Auch ein Laden, wo Einkaufen angeblich zur Lust werden soll... Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich links ein Werk von Thyssen Krupp. Die Strecke hier zählt sicher nicht zu den schönsten Abschnitten des Deutschlandlaufs.

Parallel der stark befahrenen L 121 laufen wir über ein Stück offene Landschaft nach Weißenthurm. Nach einer Brücke über die Nette kommen wir in den Ort. Durch Aufschrift auf dem Radweg werden wir ermahnt, die Straße vorsichtig zu queren. Gesagt getan. Unter der markanten Rheinbrücke der B 256 laufen wir durch den langezogenen Ort. Vom im Rhein liegenden Weißenthurmer Werth sehen wir fast nichts, dafür aber den tatsächlich strahlend Weißen Thurm. Ob der Ort nach dem Wohn- und Zollturm aus dem späten Mittelalter benannt wurde?

AKW voraus

Seit Km 35 habe ich keine Km-Markierung mehr gesehen. Aber es dürfte nicht mehr weit sein. Ein Schild weist aus: Mülheim-Kärlich 4,2 Km. Zudem taucht links bereits der auffällige Kühlturm des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich auf. Ich denke mir, gut dass das AKW längst stillgelegt ist. Noch im Spätherbst soll der Kühlturm endlich fallen.

Die B 9 hat uns wieder. Man hört und riecht es. Ich treffe eine Läuferin, Katja, die ich von Wolfgangs WUT (Wiedtal Ultra Trail) kenne. Eine Unterführung bringt uns auf die andere Seite der B 9 und wir müssen eine Steigung in Angriff nehmen. Insgesamt sind heute 25 m Höhendifferenz zu bewältigen. Das bedeutet jedoch gute 200 Hm Auf- und Abstieg. Natürlich ist das nichts auf 58 Km Strecke, aber diese Steigung hier tut jetzt weh.
 

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Ein Schild weist uns nach rechts und nur noch wenige hundert Meter entfernt liegt der Komplex des Freizeitbades Tauris. Schon von Weitem ist er zu sehen. Neben dem Bad liegt die Philipp-Heift-Halle, das heutige Etappenziel. Nur noch wenige Treppen abwärts und unter dem Applaus der wenigen Anwesenden geht es unter dem Zielbanner hindurch und der Besuch des Deutschlandlaufs ist für uns beendet. Nicht jedoch für die schon zahlreich in der Halle zumeist auf ihren Matten liegenden Läufer. Wahnsinn, was die alles leisten. Wir hatten vorher schon großen Respekt vor den Gesamtläufern. Nach unseren heutigen Erfahrungen ist dieser um einiges gewachsen.

In der Halle stärken wir uns nach warmer Dusche mit bleifreiem Bier und Kuchen. Dann machen wir uns auf den Fußweg zum Bahnhof Urmitz und fahren um eine wertvolle Erfahrung reicher zurück.

Wir wünschen allen noch im Lauf befindlichen Läufern und Läuferinnen, dass sie den Lauf auf die Zugspitze erfolgreich beenden können. Sie werden dann 1.300 Km hinter sich gebracht haben. Dies entspricht fast der Gesamtlänge des Rheins von 1.320 km. Für uns ist es unvorstellbar, diese Strecke an einem Stück in Etappen von z.T. 90 Km zu laufen. Und das ohne Ruhetag. Härter als die Tour de France, wie ein Läufer unterwegs bemerkte. Aber vielleicht kommen wir wieder, um als (ebenfalls angebotene) Zweierstaffel oder Blockläufer mehrere Etappen zu laufen.

Danke an die Organisatoren. Eure Arbeit und Eure Mühen sind nicht geringer als die Leistung der Läufer zu bewerten.