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32. Stadtlauf Bruchköbel am 22.08.2015


Endlich abgehakt

Allerhöchste Zeit ist es, endlich einmal läuferisch in der Stadt aktiv zu werden, in der ich aufgewachsen bin: In Bruchköbel bei Hanau, mitten im Hessischen nordostwärts des Rhein-Main-Gebiets gelegen. Gut 20.000 Einwohner tummeln sich in der Kernstadt und ihren Stadtteilen Nieder- und Oberissigheim, Roßdorf und „Buttertown“ (Butterstadt). Anläßlich des alljährlichen dreitägigen Stadtfestes richtet die LAZ Bruchköbel seit über drei Jahrzehnten einen Stadtlauf aus, der neben Nordic Walking und Kinderläufen einen 5 und 10 km-Lauf sowie einen Halbmarathon beinhaltet.

Seit Jahren nehme ich dort schon teil, zumindest gedanklich, aber immer kommt etwas dazwischen oder es paßt einfach nicht in die Abfolge meiner sonstigen Läufe. Denn wenn ich antrete, will ich für meine Verhältnisse auch volles Rohr laufen können und keinen Zweieinhalb-Stunden-Jog abliefern. Fünf Wochen nach dem Marathon in Füssen und sieben Tage vor dem Ultra an der Ahr paßt solch ein Formtest endlich einmal. Schon frühzeitig angemeldet, prüfe ich zwei Tage vor dem Lauf nach Ende der Voranmeldefrist die Konkurrenz und – oh weh! – finde eine ganz arme Anmeldelage vor. Schlappe 182 Sportler sind in der Voranmelderliste für sechs Wettbewerbe verzeichnet, davon ca. 60 (2013: 84, 2015: 97 Finisher) auf der längsten Distanz, für die ich gemeldet habe. Am Ende werden wenigstens 90 Teilnehmer den Halbmarathon geschafft haben.

Die günstige Startzeit um 17 Uhr erlaubt eine vergleichsweise späte Anfahrt, die noch samstägliche Vormittagsaktivitäten erlaubt. Nach knapp zwei Stunden bin ich vor Ort. Dank des selbstlosen Einsatzes meiner Schwester Jutta liegen die Startnummern bereits bei Schwester #2, Ulla, die uns nach der heißen Fahrt erst einmal wieder aufpäppelt. Einlaufenderweise begebe ich mich dann in Richtung Start, der auf der Hauptstraße stattfindet, keine 500 m vom Ziel in der Hepplergasse (Stadtmitte) entfernt. Die ersten 9,5 km sind mit der Strecke des zeitgleich gestarteten Zehners identisch. Wenn die auf die Zielgerade abbiegen dürfen, drehen wir noch eine Runde vornehmlich durch den Wald, bevor auch wir ins Ziel im alten, attraktiven Ortskern einlaufen. Die Begrüßung durch den Bürgermeister bekomme ich inmitten des Feldes nicht mit und schon geht es   pünktlich los.

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Start

„Brechkübel“ haben wir nach exakt einem km in Richtung Oberissigheim über plattes Land verlassen, die Pace stimmt mit 4:59 min/km auf eine Sekunde perfekt: Ich werde versuchen, möglichst einen glatten Fünferschnitt zu laufen, mindestens jedoch deutlich unter 1:50 Std. zu bleiben. Nach 1,5 km passieren wir die restaurierte und wieder bewohnte ehemalige Fechenmühle, die ich aber aufgrund der zahlreich angebauten Hallen nicht ausmachen kann. Ich erinnere mich noch gut, wie ich als Panz seinerzeit so manches Beutestück aus der damaligen Ruine mit nach Hause brachte. Ich bin vorgewarnt: Die Strecke sei hügelig und „nicht ohne“. Der erste Anstieg bei km 2,5 ist für einen Westerwälder moderat, eigentlich nicht der Rede wert.

Ausgangs des dritten km befinden wir uns in Oberissigheim (1.500 Einwohner), das wir nach bereits wenigen hundert Metern wieder verlassen. Anderthalb weitere km benötigt es, um über freies Feld nach Niederissigheim („Issgem“, 3.000 Einwohner) zu gelangen. Die Streckenführung empfinde ich als attraktiv, auch wenn die Belastung für viele Läufer durch die große Wärme und das fast vollständige Fehlen von Schatten auf der ersten Hälfte hoch sein dürfte. Es ist schön für mich, auf altbekannten und vertrauten Straßen und Wegen unterwegs zu sein. Die zweite kurze, aber ruppige Steigung zwingt einige schon zum Gehen, ich drücke hoch und bin bald oben. Die Verpflegungsstelle (insgesamt vier, eine davon doppelt für den Hin- und Rückweg ausgelegt, sehr eifrige Helfer) lasse ich bis auf die Schwämme aus, da ich Dank mitgeführter Trinkflasche autark bin. Die Metzgerei Eidmann erkenne ich sofort wieder und auch die Lönsstraße, in der mein Freund Rüdiger im ehemaligen elterlichen Haus lange gewohnt hat. Auch wenn ich Jahrzehnte nicht mehr hier gewesen bin, entdecke ich vieles Bekannte.

Nach Unterquerung der Landstraße zwischen Roßdorf und Oberissigheim biegen wir links ab. Im Knick steht ein Anfeuerungsplakat für die TCB-Runners, denen meine Schwester Ulla angehört. Ich sehe dabei eine Frau und einen Mann sitzen, daß es sich bei dem Mann um den Felix handelt, höre ich erst später, da hat mich die Gesichtserkennung doch im Stich gelassen. Zwei Drittel der 10 km-Strecke liegen hinter uns, als uns Niederissigheim wieder ausspuckt und, kurze Zeit parallel zu Bloch- und Krebsbach, wieder zurück nach Bruchköbel führt. Zarte Erinnerungen kommen beim Vorbeilaufen am Rosenring hoch…

Insgesamt dreimal unterstützen uns liebe Menschen, die ihre privaten Gartenduschen aufgestellt haben bzw. uns mit einem Gartenschlauch Abkühlung anbieten. Allerdings findet der Lauf leider fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, nur ganz wenige Menschen stehen am Rand und spenden Beifall. Aber Helfer hat’s ohne Ende, an praktisch allen Ecken stehen sie in Gelb und verhindern erfolgreich unser Verlaufen. Von km 8 bis 9,5 begleiten uns noch die 10 km-Läufer, teils über die mit Birken bepflanzte „Hochzeitsallee“ (meine Birke ist wohl mal, passend zur ersten Ehe, eingegangen und neu gepflanzt worden), dann teilen sich die Wege: Die Zehner biegen nach rechts zum Ziel ab, wir links zum Wald, den wir bei exakt km 10 erreichen.

49:32 Minuten sind vergangen, das Tempo paßt in fast beängstigender Weise. Fünf km lange Geraden im Wald liegen nun vor uns, die aber nicht wirklich ein Problem bedeuten. Erstens ist es schattig und zweitens kann man gut seinen Gedanken nachhängen, auch sind die Wege fast durchgehend fest und daher gut zu belaufen. Obwohl ich schon aufpassen muß, denn zu schnell schweife ich ab und falle in ein Wohlfühltempo zurück, das hier und heute nicht angesagt ist. Die km 10 bis 14 verlaufen als exaktes Rechteck. Auf einer kurzen Wendepunktstrecke bei gut km 15 kann ich die Mitläufer der eigenen Preisklasse prima begutachten. Interessanterweise laufen die meisten sehr konstant, nur zweimal werde ich auf der zweiten Hälfte kassiert, vier oder fünf Konkurrenten überhole ich selber. Irgendwo zwischendrin steht meine Schwester Jutta mit ihrem Mann Andreas zum Anfeuern und für einen Schnappschuß des laufenden Helden, danke!

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Nach 16,5 km streifen wir kurz den Ostrand Bruchköbels, irgendwo in diesem Bereich sehe ich schon von weitem meinen Neffen Yannick, den langen Lulatsch, stehen und kann ihn abklatschen. Weitere 3,5 km führen, teils auf bereits bekannten Wegen, erneut durch den Wald, dann tauchen wir endgültig wieder in der Zivilisation auf. Der letzte km leitet schnurgerade auf der Haagstraße mitten ins Herz der Stadt, viele sehr schön restaurierte Fachwerkhäuser haben sich trotz des britischen Bombenangriffs von 1940 und der grauenhaften Bausünden der Sechziger und Siebziger Jahre, die u.a. ein scheußliches Rathaus und ein noch viel schlimmeres Hochhaus im Ortskern produzierten, erhalten. Nach 1:45:35 Std. bin ich hochzufrieden im Ziel und erfahre auf Nachfrage, daß ich den 2. Platz der Ak M55 belege. Gut, bei nur fünf Mann vielleicht nicht ganz so schwierig und der Sieger, Uli Amborn, ist auch „nur“ 22 Minuten vor mir eingelaufen, aber trotzdem. Die Siegerehrung zieht sich etwas, aber durch leckeres Faust-Freibier unterstützt, kann ich das aushalten. Wann stehe ich schon mal auf dem Treppchen? Und das Dank der nahegelegenen Wohnung meiner Schwester Ulla frischgeduscht?

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Ich bin wirklich froh, dieses weiße Blatt auf meiner Wettkampflandkarte endlich gefüllt und meine Visitenkarte dort abgegeben zu haben, wo ich in einer wichtigen Lebensphase lange wohnte. Allerdings ist es schon bemerkenswert, wie wenige Teilnehmer sich hier zusammengefunden haben, zumal auch parallel Kreismeisterschaften in den Wettbewerb integriert waren. Gerade anläßlich des Stadtfestes und angesichts eines sehr hohen lokalen Läuferpotentials (riesiger Lauftreff) müßte dieses besser ausgeschöpft werden können. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, keine Frage.

Was mir bei diesem Stadtlauf fehlt, ist eine Streckenführung durch alle Stadtteile. Schade, Roßdorf wurde nicht „mitgenommen“ und Butterstadt auch nicht. Dafür gab’s auf der zweiten Hälfte vergleichsweise langweilige km im Wald. Natürlich bin ich nicht blauäugig und weiß, daß dies wohl in erster Linie dem Organisationsaufwand geschuldet ist. Aber dennoch sollte hierüber mal nachgedacht werden, zumindest die Halbmarathonläufer würden es danken, da bin ich mir sicher, und den erhöhten Aufwand auch zu schätzen wissen. Und, wer weiß? Ein zweimal zu durchlaufender Halbmarathonkurs durch das gesamte Stadtgebiet mit „Hot spots“ in jedem Stadtteil ergäbe einen Marathon, für den sich bestimmt auch etliche Läufer (z.B. ich) erwärmen würden. Den dann zusätzlich als Staffellauf anzubieten, wäre sicherlich auch für viele interessant. Ein ganzjährig verfügbarer, von der LAZ-Seite unabhängiger Internetauftritt mit mehrjähriger Ergebnishistorie wäre ebenfalls nett. Auf dem hier Geleisteten läßt sich doch aufbauen!

 

Streckenbeschreibung:
Fast flacher Verlauf durch Stadt, Feld und Wald mit insgesamt 69 Höhenmetern, die vornehmlich auf der ersten Hälfte.

Startgebühr:
10 € bei Voranmeldung für den Halbmarathon.

Weitere Veranstaltungen:
750 und 1.500 m Schülerläufe, 7,5 km (Nordic) Walking, 5 und 10 km-Läufe sowie Halbmarathon.

Auszeichnung:
Urkundendruck online möglich.

Logistik:
500 m zwischen Start und Ziel, Umkleide- und Duschmöglichkeit in der einige hundert Meter entfernten Dreispitzhalle. Dort auch größerer Parkplatz.

Verpflegung:
Ca. alle 5 km mit Getränken und Schwämmen. 

Zuschauer:
Fast keine.