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11. Bad Pyrmonter Classic Marathon am 24.07.2008

 

Kur(z)urlaub auf Joey Kellys Rappen durchs Weserbergland

Verwandtschaft kann manchmal schon etwas Schreckliches sein. Hatte ich mir das schön vorgestellt: im Urlaub neben dem Faulenzen locker Kilometer sammeln, um am 10. August mit dem Monschau-Marathon eine der letzten heimischen Marathonlücken zu schließen. Und was war? Nix da! Onkel und Tante sprachen „Goldhochzeit“ und so wird an diesem Tag also gespachtelt anstatt geschwitzt. Wenn ich ehrlich bin, eine mir durchaus willkommene Alternative. Aber so lange ohne Marathon aushalten? Tut irgendwie auch weh.

Wo ist die Ausweichveranstaltung? Ewig weit wollte ich nicht fahren. Ich stolpere über Bad Pyrmont. Bad Pyrmont? Gehört hatte ich das schon einmal, zuordnen konnte ich es nicht. Ich weiß, Ihr Pyrmonter, das ist schon peinlich, und ich gestehe diese gravierende Bildungslücke vor Gott und der Welt hiermit auch offen ein. Denn dieses tolle Kurstädtchen sollte man gesehen haben, wie ich mittlerweile weiß, und was bietet die beste Gelegenheit dazu? Na klar, die obligatorischen 42,195 km. Also berichte ich gerne von meiner Weiterbildung, aber immer schön der Reihe nach.

Die übersichtliche und äußerst informative Internetseite läßt keine Fragen offen und so ist die Anmeldung ein Klacks. Über den heruntergeladenen Flyer habe ich auch ein nettes historisches Hotel entdeckt, in dem ich mich mit meiner Frau angesichts eines freundlichen Preises auch sofort für zwei Nächte einquartiere. Es liegt 400 m vom Start- und Zielgelände entfernt und Elke wird direkt für die „Sprintdistanz“ 4,1 km angemeldet und darf so auch Wettkampfluft schnuppern. Ob sie will oder nicht...

Am Freitagabend erreichen wir das beschauliche 21.000 Einwohner-Städtchen im Weserbergland zwischen Hameln und Paderborn. Eines Rattenfängers hat es allerdings nicht bedurft, uns hierher zu locken! Der erste Eindruck des traditionsreichen niedersächsischen Staatsbads, den wir uns auf einem ersten kleinen Erkundungsgang verschaffen können, ist ein sehr gediegener. Diese Meinung wird sich in den kommenden zwei Tagen nach intensiveren Betrachtungen (Kurpark mit Palmengarten, Wandelhalle, Altstadt, Schloß) noch deutlich verstärken.

Mit als Erste stehen wir am Wettkampftag um 9.00 Uhr bei bereits strahlendem Sonnenschein an der Startnummernausgabe im Foyer des Konzerthauses, 200 m vom Start/Ziel entfernt. Superfreundliche und kompetente Helfer, wohin man schaut. Ich wechsele ein paar Worte mit dem freundlichen Chef des Organisationskomitees, Bernd Mecke. Der bestätigt meinen Eindruck, daß alles in großer Ruhe und Gelassenheit vor sich geht. Prima, wenn man ein(e) eingespielte Frau-/ Mannschaft hat! Bernhard Sesterheim und seine Freundin Birgit Hagelauer sprechen uns an und wir plaudern zusammen. Es ist immer wieder schön, nette Lauffreunde zu treffen, gerade diese beiden.

Start des Marathons ist, eher ungewöhnlich um diese Jahreszeit, um 13.00 Uhr. Ich vertrage bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr die heutige Wärme (ca. 27°) glücklicherweise sehr gut und habe insoweit keine Bedenken. Das wird aber nicht allen so gehen. Der Start am Mittag hat natürlich den Charme, daß man bei Interesse morgens an- und abends wieder abreisen kann. Dann hat man sich allerdings selbst um einige schöne Erlebnisse gebracht, für die man ein wenig Zeit mitbringen muß. Um 12.35 Uhr gibt es ein Aufwärmprogramm, das Sven Hoffmann aus der Hufeland-Therme durchführt. Die Resonanz auf sein Angebot hält sich eher in Grenzen und ich lieber ein Schwätzchen mit meiner neuen Laufbekanntschaft Markus und seiner Frau und verzichte aufs Vorglühen.

Am Start erkenne ich an ihren Trikots etliche Mitglieder des 100 Marathon Clubs und Finisher zahlreicher, teils schwerer Ultraläufe. Ich treffe erstmals meinen „Co-Autor“ Wolfgang Schwabe und seine charmante Frau. Marathon-Weltrekordler Horst Preisler steht hinter mir und wird gleich abgelichtet. „Hallo Horst, heute Nr. 1000 und...?“ Ganz coole Antwort: „567“. Meine Güte...

Warum eigentlich auf Joey Kellys Rappen? Ich werde heute erstmals mit den äußerst günstigen Schuhen eines bekannten deutschen Schuh-Filialisten (Eigenmarke „Victory“) unterwegs sein. Schon lange war ich mit mir schwanger gegangen, ob ich nicht mal einen Test wagen sollte. 40 € für das Paar ist schon ein unschlagbarer (regulärer!) Preis für vernünftige Treter und die Erfahrungsberichte, die ich im Netz finden konnte, vermitteln überwiegend positive Eindrücke. Der Extremsportler Joey Kelly trägt sie zudem, so wird berichtet, auf allen seinen Wettkämpfen bis hin zu Mehrtagesläufen in der Wüste. Nach damit problemlos zurückgelegten rund 150 Trainingskilometern inkl. je eines 30 km-Vorbereitungslaufs und 10 km-Wettkampfs (Fockenbachlauf im Nachbardorf Niederbreitbach) am letzten Samstag will ich einen eigenen Härtetest wagen.

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Die Strecke leitet uns zunächst die sehenswerte historische Hauptallee zum Hylligen Born (heilige[r] Brunnen/Quelle) hinauf, um über die gleichnamige Straße (an unserem Hotel vorbei) zum unteren und oberen Bergkurpark in den nördlich von Bad Pyrmont gelegenen Stadtforst zu führen. Gleich geht es direkt die erste Steigungen hinauf, ein flaches Warmlaufen ist nicht möglich.

Gelaufen werden im Prinzip zwei ellipsenförmige Runden. Im Prinzip deshalb, weil nicht alle Abschnitte doppelt gelaufen werden. Den Verlauf auch nur halbwegs im Hirn zu verankern, fällt mir äußerst schwer. Der ständige Wechsel von Hin und Her, Vor und Zurück, Kehren und Schleifen macht dies eigentlich zur Unmöglichkeit. Ok, wat willse maache, et kütt wie et kütt. Loss mer laufe.

Nach Km 2 an einer Engstelle fällt der bekannte Stau an meiner Position erfreulicherweise aus und wir entern über einen ausgetretenen Pfad den Wald, den wir die nächsten 38 km nicht verlassen werden. Klasse ist, daß wir fast ausschließlich im Schatten laufen können, da wirkt die Hitze nicht ganz so heftig. Im ständigen Wechsel zwischen Gefällen und Steigungen düsen wir durch den Forst. Ich bin nicht in der Lage, mich anhand markanter Punkte zu orientieren, denn diese fehlen fast völlig. Allerdings ist die Strecke perfekt ausgeschildert. Der Belag wechselt ständig, ist aber meistens gut zu laufen, nur ein paar Abschnitte haben unangenehmen groben Schotter, das ist insbesondere bergab nicht ungefährlich.

Die 12 Verpflegungsstellen sind sehr gut bestückt, ab km 15 gibt es neben Wasser und Iso auch Cola. Riegel, Wassermelonen, Bananen und Schokolade wird angeboten und gerne genommen.

Bald laufe ich auf Markus auf und nach dem Abgleich unserer Zielzeiten (4:00 bis 4:15 Std.) mit ihm zusammen. Leider geht er mir bei km 15 verloren, da ich eine Steigung für ihn offensichtlich zu schnell nehme. Im Ziel konnte ich ihn auch nicht mehr entdecken. Melde Dich doch mal bei mir! Die (nicht vorhandene) HM-Marke überschreite bei ca. 2:00 Std., alles im Lot. Gut, daß ich regelmäßig in profiliertem Gelände trainiere... In etwa dort wird die zweite Runde angegangen, zumindest das kann ich identifizieren, ansonsten nehme ich alles, wie es gerade kommt. Ab km 25 laufe ich die nächsten 7 km völlig alleine. Spätestens hier werde ich, von einer weiblichen Ausnahme (Lady in Black, Respekt!) nicht mehr überholt. Ab km 37 kommen langsamere Läufer entgegen, die einige km zurückliegen. Ein beiderseitiges „Hi, Wolfgang!“ führt die m4y-Autoren für Sekunden wieder zusammen.

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Bei km 35 vereinigen sich die Halbmarathon- und Marathonstrecken, endlich ist wieder mehr los. Ich wittere die Chance, die 4 Stunden zu knacken und lege mich ins Zeug. Reihenweise sammele ich die HM-Läufer ein, die exakt 2 Stunden nach uns gestartet wurden. Ich erwarte, bei etwa km 38 die Steigungen endlich hinter mir zu haben, aber immer wieder kommen kleinere Anstiege, die mir jetzt verdammt schwer fallen. Warum nur bin ich so bekloppt und jage der Zeit hinterher? Weil ich halt so bin, Intelligenteres fällt mir nicht ein. Mann, quäle ich mich, jeder Schritt fällt schwer. Die letzten 5 km sind einzeln ausgezeichnet (vorher nur alle 5 km). Für mich ist das kein Vorteil, so schaue ich noch häufiger auf die Uhr.

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Ab km 40 stürzen wir wieder ins Tal. Bergab hilft auch kaum noch. Die letzten 1000 m. Vorbei an der Tennishalle, hier kenne ich jeden Meter. Vorbei am Hotel, am Kylligen Born und hinein in die Hauptallee. Rechts und links sitzen die Kurgäste in den Restaurants und Cafés und geizen nicht mit Beifall, ich bedanke mich nonverbal... Letzte 300 m können auch lang sein, sogar bergab, eine ganz neue Erfahrung. Ich sehe die orangen „Ohren“ der Zeitmeßanlage und nichts wie hindurch! Halleluja, 3:58:59 Std. Doch dafür muß ich bezahlen. Ich sacke auf einer Bank für die nächsten 15 Minuten zusammen, habe doch etwas Kreislaufprobleme und schwöre, solch einen Quatsch (die Zeitjagd auf einer für mich schweren Stecke) zumindest so schnell nicht wieder zu machen.

Elke versorgt mich mit Getränken. Nie zuvor habe ich nach einem Lauf derart viel getrunken, nein, gesoffen. Wasser, Iso, Brühe, bleifreies Weizen, alles, was flüssig ist - hinein. Nach etwa 20 Minuten hat sich mein Kreislauf so weit stabilisiert, daß ich zum Duschen ins Hotel gehen kann. Ein wenig schwummerig ist es mir noch den ganzen Abend. Nach dem Duschen gehen wir auf die „After-Race-Party“ und schlagen uns die Bäuche mit Nudelgerichten und Salat voll. Sehr schön ist, daß die Organisatoren die Zielzeit kurz entschlossen über 5:30 Std. hinaus ausdehnen. So kann Birgit ihren Bernhard endlich, noch offiziell gewertet, nach 5:32 Std. in die Arme schließen. Hört diese Aussage mit geradezu epochaler Tragweite: Bernhard verkündet, demnächst zumindest gelegentlich mit Uhr laufen zu wollen! Denn Reserven habe er noch gehabt. Ach ja: Lieber Joey Kelly und Heinz D....mann: der „Victory ist prima, wird in Zukunft öfter gekauft werden. Langsam klingt der Abend aus.

Von Etlichen höre ich, daß es viel zu heiß gewesen sein soll. Klar war’s heiß, sehr heiß sogar. Und auch schwül. Aber was wollt Ihr? Wer einen anspruchsvollen Marathon im Hochsommer läuft, kann nicht auf kühle 12° zählen. Also hört auf zu jammern!

So haben wir einen ganz toll organisierten Marathonlauf mit superkurzen Wegen und sehr gutem Preis-/Leistungsverhältnis erlebt. Vielen Dank an Bernd Mecke, der mit seinem Lauftreff eine beispielgebende Veranstaltung durchgeführt hat. Ich habe mal gesagt, keinen Marathon mehr doppelt laufen zu wollen. Aber die Kombination aus toller Stadt, nettem Hotel, klasse Veranstaltung und super Wetter hat es mir schon angetan...

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Streckenbeschreibung:
Amtlich vermessener, anspruchsvoller Landschaftslauf in ständigem Wechsel von Auf und Ab mit 690 Höhenmetern auf wechselnden Untergründen (Asphalt-, Gras-, Park- und Waldwege). Hauptanstieg bei km 22. Ausschilderung alle 5 km, die letzten 5 km einzeln. Einige Streckenabschnitte werden zwei mal gelaufen.

Zeitnahme:
Bib-Chip (in der Startnummer integriert)

Weitere Veranstaltungen:
Halbmarathon; 10 km; 4,1 km; 10 km Walking und Bambinilauf

Startgeld:
Marathon: 24 – 26 – 31 €, je nach Anmeldezeitpunkt

Auszeichnungen:
Urkunde (mit Finisherfoto vor Ort!) und aus dem Internet, Jubiläums-T-Shirt, jede Läuferin erhält im Ziel eine Rose

Logistik/zusätzliche Leistungen:
Kostenloser Busservice vom Bahnhof (3 mal zwischen 11 und 14 Uhr zur Veranstaltung), Kostenlose Massagen im Ziel, Tombola, freier Eintritt  im Ahoi-Erlebnisbad und im Kurpark (dort auch für Ehepartner und Kinder) am Veranstaltungstag, Partnertarif in der Hufeland-Therme,

Verpflegung:
12 umfangreiche Verpflegungsstellen unterwegs, gute Zielverpflegung. „After-Run-Pasta Party“

Zuschauer:
Im Wald fast keine, im Start- und Zielbereich ordentliches Interesse.