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20. Thermen-Marathon am 03.02.2013

(K)Urlaub zum Jubiläum


Früher, zu Zeiten des Kalten Krieges – böse Zungen behaupten heute: Als man noch wußte, wo der Feind steht – gab es mal eine stolze Panzertruppe. Diese ist infolge der Neuausrichtung der Bundeswehr auf ganze vier Bataillone geschrumpft und nur noch ein Schatten ihrer selbst. Darüber kann man mehr oder auch weniger begeistert sein, für beide Haltungen gibt es gute Argumente. Wie dem auch sei: Dem Autoren als altem Kommißkopf wird es warm ums Herz, wenn er beim Studium der ostbayrischen Landkarte in unmittelbarer Nähe seiner aktuellen Wirkungsstätte die Gemeinde Pocking entdeckt und sich an das Gebirgspanzerbataillon 8 – Gott habe es selig! - erinnert.

Doch fort mit den nostalgischen Gedanken! Getreu dem Motto „Gelobt sei, was hart macht“ (im letzten Jahr war es, gelinde gesagt, stark unterkühlt) nutze ich das 20. Jubiläum des Thermen-Marathons in Bad Füssing unter der Leitung von Thomas Richter und der Pockinger Kampfrichtergemeinschaft zum Start in meine Marathonsaison. In dieser Ecke der Republik, von unserem Alpen-Ableger nur durch den Inn getrennt, war ich noch nie, daher wurde es höchste Zeit, mal herzukommen. Die Anreise ist mit knapp 600 km zwar elend lang– was tut man nicht alles völlig selbstlos, um Euch aktuell informiert zu halten! -, aber der Aussicht auf eine gelungene Kombination von Sport, schöner Gegend, Kuren im Thermalbad und dem Genuß einheimischer Küche (Motto der Veranstalter: "Laufen, thermalbaden und erholen") kann auch mein Weib nicht widerstehen. So wird die Reise zugleich auch unser Start in die diesjährige Urlaubssaison, denn vier Tage werden wir hier mit unseren Münchner Freunden Barbara und Klaus verbringen.

Mehrere örtliche Hotels haben ein nettes Angebot aufgelegt, preislich und vor allem auch in Verbindung mit kostenlosem Eintritt in die Therme am Samstag und Sonntag, da ist die Vor- und Nachbereitung des Laufs schon gesichert. 4.500 m² Wasserfläche in 13 Becken mit Wassertemperaturen zwischen 27 und 39° stehen zur Verfügung, ebenso diverse Fachkliniken bis hin zur Behandlung psychosomatischer Störungen. Da sind wir, die meinen, im tiefen Winter einen Marathon laufen zu müssen, genau richtig aufgehoben. Und ruinieren wir dabei unseren Astralkörper, kann der in Physiotherapie & Co. wieder gerichtet werden. Paßt also alles. Als Gäste im Veranstaltungshotel genießen wir den netten Service, sowohl die Startunterlagen als auch das für uns im Startgeld inbegriffene Funktionsshirt auf den Betten vorzufinden.

Am Samstagnachmittag lauschen wir dem zweistündigen Multivisionsvortrag des Südtiroler Bergsteigers Hans Kammerlander „Am seidenen Faden“, in dem er ausdrucksstark über seine Leistungen, u.a. die Besteigung von 13 der 14 Achttausender, berichtet. Innerhalb von 24 Stunden bestieg der passionierte Bergläufer viermal (4) hintereinander das Matterhorn, selbstverständlich inklusive der Abstiege. Ein Wahnsinniger, das andächtig lauschende Volk ist begeistert. Danach Pastaparty (mit zwei Getränken nach Wahl inklusive, sehr lecker), ab in die Therme zum Chillen und anschließend in den Haslinger Hof zur Entfaltung gewisser Party-, Tanz- und Nachtaktivitäten. Da muß man mal gewesen sein, meint unser Freund Klaus. Na, dann wollen wir uns mal vorsichtig hineinwagen. Aber ganz vorsichtig, schließlich ist hier schon so mancher schreibende Kollege heftigst versumpft und brauchte anderntags 42 km zum Ausnüchtern. Ich sage nur: Selbst schuld, wenn man leichtfertig in die Kneipe geht und leicht fertig wieder herauskommt.

Am leicht verschneiten Start angekommen, trifft mich erst einmal der Schlag („Herzilein, Du musst nicht traurig sein,…“), aber wir flüchten ganz schnell ins gut geheizte Foyer des Johannesbads, in dem eine kleine, gut angenommene Marathonmesse aufgebaut ist. Ich genieße den Luxus, nicht in der Kälte schlottern zu müssen und kann sogar einen bequemen Ledersessel ergattern, aber das steht einem ab der M 50 eigentlich auch zu. Der Pumuckl hat den gestrigen Einsatz im Haslinger Hof erfreulicherweise überlebt, allerdings sollte man ihm nicht zu nahe kommen, denn nimmst Du in seiner Nähe einen tiefen Atemzug, bist Du high für den Rest des Tages. Um Punkt 10 Uhr, die 10er sind bereits eine Viertelstunde auf der Piste, schießt uns eine bayrische, mit Vorderladern bewaffnete Trachtengruppe los, nachdem ich vergeblich nach Joey Kelly Ausschau gehalten habe, denn der hatte im letzten Jahr noch getönt, hier heute antreten zu wollen. Vermutlich erinnerte er sich noch rechtzeitig daran, wie ich ihn seinerzeit beim Rheinhöhenlauf gnadenlos versägt habe und hat Muffensausen bekommen. Wäre ja verständlich.

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Der zweimal zu durchlaufende, brettebene Kurs verläuft – dem auf Föhr vergleichbar – in Form einer liegenden „8“. Zunächst starten wir in Richtung Westen durch den Süden von Bad Füssing, laufen links und rechts um den großen Kreisel - Berlin mit seiner Goldelse am Anfang läßt grüßen – und überqueren die B12. „Wir“ sind unter anderem fünf m4y-Schreiberlinge, die sich heute hier für Euch versammelt haben, die Saure-Gurken-Zeit führt zu dieser Verdichtung: Klaus, Bernie, Herbert, meine Wenigkeit und den fünften erwähne ich nicht namentlich, Ihr wißt es sowieso.

Die Strecke, ausschließlich asphaltiert, ist schneefrei und daher gut zu belaufen. An einem Wäldchen biegen wir nach Nordwesten ab. Teilweise pfeift der Wind schon ordentlich, die Körpertemperatur ist noch nicht hoch genug, das zu kompensieren. Ich lerne den netten René aus der Nähe von Prag kennen, der mit Frau und kleinem Kind zum wiederholten Male hier ist. Er hatte als Beifahrer einen schweren Verkehrsunfall zu erleiden, bei dem er sich einen Wirbel brach und dem Rollstuhl nur um Haaresbreite entging. Zum Dank umrundete er als Spendenlauf in 30 Tagen Island, in denen er jeden Tag mindestens einen Marathon abspulte. Nächste Woche wird einem Prager Rollstuhlverein das vom erlaufenen Geld beschaffte Handbike feierlich übergeben. Ganz großer Respekt, lieber René!

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Im 777 erstmals urkundlich erwähnten Kirchham – der einzige heute durchquerte Ort, der nicht zu Bad Füssing gehört – gibt’s zum ersten Mal Verpflegung (warmes Iso!), wir haben den nördlichsten Punkt erreicht und drehen nach Südwesten ab. Eine ganze Weile laufe ich mit dem Bernie zusammen, der nach meinen ausbaufähigen Ortskenntnissen als schwäbischer Bajuware oder bajuwarischer Schwabe aus Augschburg eigentlich ein Heimspiel haben sollte. Ich lerne, daß zwischen seinem Zuhause und hier locker zwei Autostunden liegen.

Die Straßen sind, zumindest anfangs, weitestgehend abgesperrt und von der Polizei gut gesichert. Ein Jogger ist mit seinem Hund unterwegs. Da fällt mir ein, von der neuen Sportart „Canicross“ gelesen zu haben. Also, es ist ja nichts zu blöd, um als neue Sportart herhalten zu müssen, früher ist man mit den Tölen Gassi gegangen. Heute bindet man sich die Leine um den Bauch, läßt sich ziehen und achtet auf den Schwanz. Zeigt der gerade nach hinten, ist der Körper ausbalanciert. Alles in Ordnung. Ist er zwischen den Beinen, ist das ein Zeichen von Angst. Geht er nach oben, hat er irgendwas anderes im Sinn. Der Hund, nicht das Herrchen.

Einem Waldrand entlang erreichen wir den Füssinger Ortsteil Hart, die Ösi-Dichte nimmt in Gestalt vom „Dorfi“, Michael Dorfstätter – heute ohne seinen Kumpel, den zum dritten Mal ernannten Staatssekretär -, zu. Ich könnte ihn knutschen, denn er löst in einem Fünf-Minuten-Gespräch das grundsätzliche Versandproblem meiner Keniaspenden zu den Empfängern, ich kann bei seinem Lufttransport dazupacken. Danke, lieber Dorfi, da ist mir eine Last genommen und ich kann ganz beruhigt weitersammeln. Verpflegung bekommen wir auch wieder, die warmen Getränke sind ein Segen. Zu beißen nehme ich heute nichts, obwohl das Angebot gut und abwechslungsreich ist, und beschränke mich aufs Trinken.

Weiter geht’s gen Süden durch das im Urstromtal des Inn gelegene Aigen am Inn, hier haben wir in etwa das erste Viertel gepackt. An mehreren Stellen, so auch an km 15, bekommen wir freundlicherweise von guten Seelen die gelaufene Zeit mitgeteilt. OK, das ist vielleicht angesichts von Garmin und Suunto nicht mehr für alle notwendig, auf jeden Fall aber ein netter Zug. Zurück am Kapellchen und damit am Schnittpunkt der liegenden „8“ haben wir den ersten Kreis geschlagen.

Die rechte Hälfte des Kurses beginnen wir zunächst nach Süden in Richtung Inn und damit Beutegermanien. Aber nicht nur die Ösis liegen im Dunstkreis der größten deutschen Badewanne (die Bäder Füssing, Griesbach und Birnbach), auch die Tschechei mit dem (ehemaligen) Sudetenland liegt nicht weit, das kann man auch an der recht hohen Zahl Beschäftigter aus Böhmen und Mähren in den Hotels und Thermen erkennen. Auf der Höhe von Egglfing starten wir aber nicht wie die 10 km-Läufer bis zum Inn durch – offensichtlich will man uns an der Republikflucht hindern -, sondern durchqueren den Ort nordostwärts, zurück zu Start und Ziel.

Die langgezogenen Straßen lassen mich innerlich einkehren, die Gedanken schweifen zum aktuellen Tagesgeschehen ab. „Wowi“ versenkt am BER zwar seit Jahren unge- und –bestraft Milliarden, aber das Pressethema der letzten Tage ist seit dem vermeintlichen Schwesterle-Eklat ja nicht Geldverschwendung, sondern Sexismus, nachdem einer Journalistin des „Stern“ ein Jahr nach einem mitternächtlichen Gespräch an der Bar die angebliche Belästigung wieder eingefallen ist. Nein, Leute, das ist jetzt wirklich nichts zum Witzereißen, deutsche Frauen beklagen sich völlig zu recht über anzügliche, dämliche Witze seitens der Herren der Schöpfung. Schluß damit. Diese Überlegungen im Kopf befinde ich mich schon eine ganze Zeit im Windschatten eines vielversprechenden femininen Rückens. Irgendwann dreht sie sich dann um und fragt mich genervt: „Warum läufst Du die ganze Zeit hinter mir her?“ In der Tat, das frage ich mich jetzt allerdings auch. Was ist übrigens der Unterschied zwischen Brüderle und Dominique Strauß-Kahn? Letzterer hätte die Kleine vom Stern rumgekriegt… Jetzt aber wirklich Schluß, ist ja furchtbar!

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Koit ist’s, sakrisch koit, auf den letzten beiden km vor dem Johannesbad bläst es wirklich fies, leckt’s mi am Or… Wetterkapriolisch ist diese Woche alles drin gewesen: Von starkem Frost noch am letzten Wochenende sind wir über + 13° am Mittwoch wieder fast am Nullpunkt angelangt. Schon nach kaum einer halben Stunde konnte ich die Temperaturen knapp über null gar nicht mehr spüren, weil alles tiefgefroren war. Auch das, woran manche jetzt denken. Im Zuge des allgemeinen Plagiat-Hypes gebe ich es am besten direkt freiwillig zu: Den Satz habe ich „Achim Achilles“ geklaut. Wobei intelligente Sätze zu verfassen gar nicht so einfach ist. Schon ein einziger Buchstabendreher kann den ganzen Satz urinieren.

Dann kommt das Johannesbad wieder in mein Sichtfeld, Marathonis geradeaus, die Halben nach rechts, ein paar aufmunternde Worte des Sprechers und schon befinde ich mich auf der 2. Runde. Exakt zwei Stunden habe ich gebraucht, da muß ich doch noch einen halben Zahn zulegen, um unter vier Stunden zu bleiben. Insgesamt ist das ein flottes Rennen, hier im Ostbayrischen, der Median wird heuer bei 3:48 Std. liegen nach sage und schreibe 3:45 Stunden letztes Jahr beim Kälterennen (-9°). Ich schiele ja immer ein wenig nach der Statistik, um mich frohzurechnen und mir einzureden, daß es mit den altersbedingten Ausfallerscheinungen noch nicht so schlimm ist. Schau ma moi, na seng ma scho.

Was ich allerdings nicht so toll finde, ist die Beschränkung auf fünf Stunden Laufzeit, und das aus meiner Sicht ohne Not. Gerade hier im Kurgebiet, wo das Augenmerk auf älteren, häufig ja auch nicht unvermögenden Leuten liegt, verprellt man eine ganze Reihe Altersläufer und bringt sich selber um einige Einnahmen. Nicht alle sind so wie unsere Renate, die trotzdem kommt und notgedrungen mit dem Halben zufrieden sein muß.

Am Golfplatz und der wiederholten Zeitansage vorbei vergehen die weiteren km. Ich setze mich von meinen bisherigen Begleitern ein wenig ab, weil es arg knapp werden wird mit den vier Stunden. Außerdem baut es ja doch immer auf, den einen oder anderen einzuholen und passieren zu können, das wirkt dem Trott erfolgreich entgegen. Nach 3:56 Std. habe ich dann wieder mal fertig, kassiere eine sehr schöne Glasmedaille, und werde in eine Goldfolie gegen den Wärmeverlust gewickelt. So beobachte ich noch einige Zieleinläufe und verkrümele mich mit dem inzwischen eingelaufenen Klaus Müller ins Warme und zur Weizenkaltschale.

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Wer bislang noch an den positiven Auswirkungen des Laufens gezweifelt haben sollte, ist seit
den Erkenntnissen von US-Forschern mit Marathonmäusen eines Besseren belehrt: in 60
Generationen haben die dreimal so viel wie ihre normalen Artgenossen laufenden Viecher nicht

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nur Knochenbau und Stoffwechsel verändert, sondern auch ein um 13 Prozent größeres Mittelhirn entwickelt. Hier liegen wichtige Zentren der Bewegungskontrolle und des Belohnungssystems. Alle Tiere konnten Laufräder mit Umdrehungszählern nutzen, allerdings durften sich nur die intensivsten Läufer fortpflanzen. Spätestens jetzt ist mir klar, warum unser Markus noch am vorletzten Wochenende beim Hallenmarathon auf der 250 m-Bahn in Senftenberg gewesen ist und erst nach 200 Runden aufgehört hat. Hoffentlich hat’s etwas genutzt.

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Wir nehmen den Rat unserer Freunde an, lassen die Gutscheine für den heutigen Besuch des Johannesbades verfallen und gehen für ein paar Euronen in die nicht so überfüllte Europa-Therme zum Relaxen. Selten hatte ich am nächsten Tag so wenige Beinbeschwerden wie jetzt, das warme Thermalwasser wirkt wirklich Wunder. Das Paket Thermen-Marathon paßt also, nicht nur für den Veranstalter, der in der Saure-Gurken-Zeit ein paar hundert Übernachtungen verzeichnen kann. Hier ist man gut aufgehoben.

Startgeld:
26 - 36 € je nach Anmeldezeitpunkt (gleicher Betrag für Marathon, Halbmarathon und 10er!).

Wettbewerbe:
Marathon, Halbmarathon, 10er und Schülerlauf.

Rahmenprogramm:
Kostenloser Eintritt in die Therme (Johannesbad) am Samstag und Sonntag, Multimedia-Vortrag am Samstag, Pastaparty incl. Getränke. Alles für lau. Für Übernachter in einem der Johannesbad-Hotels auch ein gutes Funktionsshirt umsonst.

Streckenbeschreibung:
2 Runden-Kurs, Zeitlimit glatt 5 (!) Stunden.

Auszeichnung:
Medaille, Urkunde aus dem Netz.

Logistik:
Alles unmittelbar vor und im Johannesbad, also nicht zu toppen.

Verpflegung:
Gut und abwechslungsreich. Sogar das Iso ist warm!