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1. Karnevalsmarathon in Bad Driburg am 11.11.2011


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Nett war die Idee des TuSEM Essen, als er im vergangenen Jahr beim Marathonlauf um den Baldeneysee am 10.10.10 die Startzeit passenderweise von 10 Uhr auf 10:10 Uhr verlegte. Besondere Daten erfordern eben besondere Maßnahmen. Und so fragte ich in meinem Laufbericht seinerzeit schon, ob sich für mich im kommenden, jetzt also diesem, Jahr wohl eine Gelegenheit finden würde, am 11.11.11 ab 11:11 Uhr einen offiziellen Wettkampf zu laufen. Und nichts tat sich. Klar, ein wenig schwierig ist das schon, an einem Arbeitstag, auch wenn es sich um einen Freitag handelt, den man sich im Zweifelsfall würde freinehmen müssen.

Da packte sich mein Freund, Markus Pitz, ein Herz, holte tief Luft und sprach: „Wohlan, der 11.11. pflegt seit 42 Jahren mein Geburtstag zu sein. Ich gehe hin und organisiere.“ Und da just an diesem Datum im Rheinland die fünfte Jahreszeit eingeläutet wird, war die Idee eines, nein, DES Karnevalsmarathons geboren. Markus’ Mitorganisator Hermann-Josef hatte vor Jahresfrist aufgrund einer tragischen Erkrankung seine Schwägerin im Alter von erst 40 Jahren verloren, daher war es keine Frage, die zu erhebende „Startgebühr“ in voller Höhe der Marfan-Hilfe als Spende zur Verfügung zu stellen. Also mußten alle Ausgaben im Zusammenhang mit dem Karnevalsmarathon privat getragen werden, daher war der Aufwand, auch in personeller Hinsicht (Freitag!) zu minimieren.

Bezüglich der Strecke war die Entscheidung schnell gefallen, das seitens der Stadt bereitwillig zur Verfügung gestellte Iburg-Stadion zu nutzen. 105,5 Runden á 400 m auf der Laufbahn, puh! Der Rundenlauf, dessen Vorteile ich mit zunehmender Lauferfahrung aufgrund seiner Kurzweiligkeit mittlerweile tatsächlich zu schätzen gelernt habe, wird hiermit natürlich auf die Spitze getrieben. Kriegt man da keinen Drehwurm? Stechende Hüfte? Verblödet? Wir werden sehen. Was mich beruhigt, ist die Erkenntnis, daß es bereits Überlebende von 24 Std.-Läufen und Längerem auf der Bahn gegeben haben soll, da sollte einen ein „schlapper“ Marathon doch nicht umbringen. Oder? Wir werden sehen.

Ein weiterer Vorteil des Laufens auf der Bahn liegt in der Überschaubarkeit der Organisation. Naturgemäß bietet ein Stadion die erforderliche Infrastruktur, eine (1) Verpflegungsstation ist ausreichend und Hilfe bei Problemen max. 200 m entfernt. Dazu kommen heute für Mitte November in unseren Breitengraden geradezu paradiesische Wetterbedingungen: Trocken, sonnig und mit 7° erträglich. Ideale Bedingungen also für meinen dritten Marathonlauf innerhalb von 26 Tagen, eine für mich kurze Zeitspanne.

Bereits am Donnerstagabend reisen wir an, Silke und Markus sorgen für die kohlehydrattechnische Vorbereitung und die späte Startzeit freitags um 11:11 Uhr garantiert eine ausgiebige Nachtruhe samt gemütlichem Frühstück, bei dem angesichts ausreichend dimensionierter Verdauungszeit keine Selbstkasteiung bei Weißbrot und Honig erforderlich ist. Etwas irritiert ist die Frühstücksgesellschaft in unserer Pension allerdings schon ob unseres karnevalistischen Aussehens, aber da muß der Westfale halt durch, wenn er sich darauf einlässt, Rheinländer bei sich zu beherbergen.

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Sehr erfreulich ist die durchaus als rege zu bewertende Teilnahme. Für max. 3 x 11 Starter ausgeschrieben, haben sich immerhin 2 x 11 angemeldet und fast alle sind auch erschienen, teilweise sind Anreisen bis zu 500 km erforderlich gewesen. Tom Eller fragte erst um 18 Uhr, ob er noch kommen dürfe (logo!) und zwei kamen sogar zum Nachmelden. Einer aber leidet heute, nämlich mein Freund Joseph Kibunja aus Kenia, der Guide von Henry Wanyoike. Als ich ihm bei meinem Besuch vor etwa 14 Tagen (Bericht auf m4y) von dieser Veranstaltung erzählte, traf ihn fast der Schlag: Auch er hat heute Geburtstag und wäre zu gern dabei gewesen, aber  es geht halt nicht immer alles im Leben. So schicken wir ihm ein Foto der Startaufstellung mit einem schriftlichen Gruß nach Hause in der Hoffnung, daß er sich darüber freut.

Markus und seine Freunde haben am frühen Morgen bereits die notwendigen Aufbauten erledigt, so daß wir, als wir gegen 09.30 Uhr als Erste eintreffen, eigentlich schon fast starten könnten. Es ist noch verflixt schattig, so daß wir gerne den guten Kunstrasenplatz inspizieren, der schon von der ersten Sonne beschienen ist. Nach und nach treffen auch die anderen Mitstreiter ein, ein buntes Völkchen mit hohem m4y-Anteil: Angelika und Äberhard sowie Andrea und Kay geben Markus die Ehre, auch m4y-Coach Andreas Butz erscheint mit Frau Gisela und verbreitet gute Laune.

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Riesig freue ich mich, daß wirklich viele Läufer Tüten voller T-Shirts, Laufschuhe und anderer Utensilien mitgebracht haben, die ich in den kommenden Wochen nach Kenia schicken werde und die im Kanjeru-Laufcamp dankbare Abnehmer finden. Es macht schon einen Unterschied, wenn man die Empfänger persönlich kennt und sich einige der erfreuten Gesichter vorstellen kann. Vielen Dank an dieser Stelle allen Spendern, das war ein feiner Zug von Euch!

Sehr angenehm überrascht bin ich auch, wie viele freiwillige Helfer an diesem Arbeitstag mobilisiert werden konnten, von denen nicht wenige einen Urlaubstag geopfert haben, um 7 – 8 Stunden in der Kälte zu stehen und dabei immer freundlich und interessiert zu sein. Es ist sehr schön zu sehen, was aus unserer Schnapsidee geworden ist: eine kleine, aber feine Veranstaltung, der es, soweit ich es beobachten konnte, an nichts gefehlt hat. Ganz im Gegenteil, was hier im Rahmen der karnevalistisch-sportlichen Geburtstagsfeier geboten wurde, ließ keine Wünsche offen. Von der personalisierten Startnummer über Essen und Trinken unterwegs (mehr als) satt bis hin zum Abschlußeintopf – das war schon einmalig.

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Sogar das Bad Driburger Prinzenpaar erscheint im vollen Ornat und schickt uns mit einigen warmen Worten pünktlich um 11:11 Uhr auf die Reise. Der Startbereich, die „Gegengerade“, liegt in der Sonne und ist angenehm warm, trotzdem brauche ich drei Runden, bis meine mittlerweile fast eingefrorenen Zehen wieder halbwegs aufgetaut sind. Unserem Wunsch entsprechend sind die meisten tatsächlich kostümiert unterwegs, das gibt dem Ganzen einen „würdigen“ Rahmen. Mein Schottenkostüm sieht zwar gut aus, nervt aber durch das viele Gebambel. Schulterriemen, Tasche, etc. müssen ständig wieder richtig platziert werden. Na gut, selber ausgesucht, da muß ich jetzt durch.

Von der sonnigen Gegengeraden biegen wir auf die dauerschattige Zielgerade ein. Insbesondere im Kurvenbereich zieht der scharfe Ostwind wie Hechtsuppe, mein Kostüm hält nicht wirklich warm. So bin ich immer wieder froh, wenn ich auf der anderen Seite laufen kann. Über lange Stunden treffe ich da immer wieder Elke und Gisela Butz, die uns regelmäßig mit hilfreichen Tips unterstützen und anfeuern. Tja, sind 105,5 Runden jetzt Fluch oder Segen? Ich werde am Ende sagen: Segen, denn ich habe lieber 25 Teilnehmer verteilt auf 400 m als, wie schon erlebt, 65 auf einem 42,195 km-Einrundenkurs, bei dem Du fast nur völlig alleine läufst. Es gibt aber andere Stimmen. „Nie wieder Marathon auf der Bahn!“ höre ich auch am Ende, aber das muß jeder für sich entscheiden. Ich finde jetzt, wo ich es beurteilen kann, die Rundenrennerei wirklich prima. Zum einen hast Du ständig jemandem zum Plaudern und wenn es auch nur eine kurze, freundschaftliche Pöbelei beim Überholtwerden ist, zum anderen kannst Du den Zähler schon nach 0,4 km nach unten korrigieren. OK, 105,5 Runden sind schon eine Menge, aber auch die sind irgendwann gelaufen. Und wenn man bedenkt, daß auf dieser Bahn exakt vor 20 Jahren die Deutsche Meisterschaft im 100 km-Lauf (!) stattgefunden hat, ist unsere Herausforderung dagegen nicht mehr als ein Pups.

2:16 min. will ich pro Runde laufen, um mit 4 Std. ins Ziel zu kommen, aber das kann ich mir schon nach der Hälfte abschminken. Gefühlt war ich eigentlich ganz flott unterwegs, aber Gefühl und Realität unterscheiden sich deutlich. 2:04 Std. nach 21,1 km auf topfebener Strecke empfinde ich jetzt nicht gerade als optimal. Aber die Frage, ob ich 12 Tage nach Nairobi, wo ich am Ende völlig erledigt war, ausreichend regeneriert bin, ist damit schon zur Halbzeit beantwortet, nämlich eindeutig mit „Nein“.

Abwechselnd drehe ich Runde für Runde alleine oder mit wechselnden Begleitungen plaudernd. Leider steht die Sonne schon ganz schön tief und kommt nur noch mit Mühe über die Böschung, die die Zielgerade in Kälte taucht. So fährt mir der Wind beim Einbiegen auf eben diese wirklich mit der Zeit durch Mark und Bein. Tja, was muß ich auch im Schottenröckchen unterwegs sein! Der Durchlauf durch das Ziel ist ein wirklicher, denn dort steht ein Zelt, in dem eine prima Verpflegung bereitsteht und um das herum auch die Zeitnehmer ihre Plätze haben. A propos Zeitnehmer: Nicht wissend, ob es gelingen würde, Unterstützer zu rekrutieren, hatten wir die Läufer in der Ausschreibung zu selbständigem Rundenzählen verdonnert. Umso erfreulicher ist es, daß dies letztlich keiner machen muß, denn es haben sich genügend Helfer gefunden, die diesen Job zuverlässig verrichten und uns von Zeit zu Zeit die Anzahl der noch zurückzulegenden Runden zurufen.

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Nach etwa zwei Dritteln wird es wieder zäh, aber ich bemerke zu meiner Beruhigung, daß es nicht nur mir so geht. Jeder, der nur noch eine Runde zu laufen hat, bekommt diese fachgerecht eingeläutet und das ist bei mir nach exakt 4 Stunden der Fall. Mit Beifall werde ich, wie alle anderen auch, nach 4:02:31 Std. im Ziel begrüßt und bin froh, es wieder einmal geschafft zu haben. Interessant ist die Bestätigung meiner Vermutung, nach Nairobi laktatpralle Beine gehabt zu haben: Heute, einen Tag später, sind sie zwar müde, aber ich bin wesentlich beweglicher als noch am vorletzten Sonntag. Die warme Dusche ist ein Segen und dermaßen wiederhergestellt widme ich mich ausgiebig dem Großvorrat isotonischen Getränks aus Erding und dem Kuchen und den Würstchen und überhaupt allem, während ich mit den anderen die letzten Einläufer beglückwünsche.

Der Hammer erfolgt am Ende. Werner Britz bleibt zur Verblüffung aller 10 m vor dem Ziel stehen und widmet sich seinem Gepäck. Nanu, was jetzt? Wechsel der Bekleidung für ein gelungenes Zielfoto? Mitnichten. Plötzlich sehen wir Metall aufblitzen, ihn seine Trompete kurz stimmen und mit einem fröhlichen Karnevalsschlager bläst er im Zieldurchmarsch den ersten und einzigen Karnevalsmarathon ab. Ein würdigeres und schöneres Ende hätte man nicht inszenieren können, alle sind begeistert.

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Nachdem die Helfer abgebaut haben, gibt es im (warmen!) Vereinsheim noch einen leckeren Eintopf, während dessen Vernichtung Markus die Siegerehrung vornimmt. Einer der Lokalmatadoren schneidet überraschend erfolgreich ab und die (langsameren) Auswärtigen sind sich in der Bewertung schnell einig: Ein klarer Fall von Wettbewerbsverzerrung. Der Kerl kannte ja die Strecke! Am Ende waren sich alle einig: Wir haben an einer tollen, familiären Veranstaltung teilnehmen dürfen, wo alles wie am Schnürchen funktionierte und jeder mit einer schönen Urkunde satt und zufrieden wieder heimkehren konnte. Fast ist es schade, daß diese Veranstaltung eine einmalige bleiben wird, aber der 11.11.2111 ist ja nicht mehr weit. Das größte Problem bis dahin wird es sein, die Form zu halten.

Viele weitere Fotos zu diesem Lauf gibt es auf marathon4you.de!


Streckenbeschreibung:

105,5 Runden auf der 400 m-Bahn im Iburg-Stadion.

Startgebühr:
Keine, aber Spende in Höhe von mindestens 11,11 € an die Marfan-Hilfe.

Auszeichnung:
Urkunde vor Ort.

Logistik:
Kürzere Wege gibt es nicht, alles im Stadion verfügbar.

Verpflegung:
Ein Verpflegungstisch mit allem, was das Läuferherz erfreut.

Zuschauer:
Tatsächlich einige!