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5. Panoramalauf rund um die Burg Are am 29.08.2015
 

GroßAHRtiger Ultraspaß

Alles, was im Rheinland zum dritten Mal gemacht wird, gilt bekanntermaßen schon als Tradition. Da verwundert es geradezu, wenn „erst“ die fünfte Austragung des Panoramalaufs rund um die Burg Are ein Grund zum Feiern ist. Wie dem auch sei, mir kommt es sehr recht, beiderseits des Flüßchens Ahr im bekannten Weinbaugebiet mit vielen Steilstlagen als Sahnehäubchen zusätzliche 5 km und 250 Höhenmeter gegenüber der Normalversion von 47 km und 1.400 Höhenmetern zurücklegen zu dürfen. Vor kurzem noch beim Ahrathon hier unterwegs, empfinde ich es als Privileg, an dieser Stelle einen zweiten tollen langen Lauf, quasi vor der eigenen Haustür, absolvieren zu können.

Die Ahr als linker Nebenfluß des Rheins hat sich über Jahrtausende 300 Meter tief ins Gestein geschnitten und eine grandiose Landschaft geformt. Aus der  gefaßten Quelle im Keller eines Fachwerkhauses im Ortskern des in der Eifel gelegenen Städtchens Blankenheim (Nordrhein-Westfalen) auf 474 m ü. NN entspringend, schlängelt sie sich über 85 km bis zum Rhein.

Namensgeberin des Laufs ist die ab 1095 auf 240 m ü. NN auf viereckigem Grundriß entstandene Höhenburg Are. Sie war Sitz der Grafen von Are, die sie 1246 ans Kölner Erzbistum verschenkten. Und die hatten dann Platz in den Felsenkellern, um dort störende Patrizier einzubuchten. Burg Are wurde zu einer recht starken Festung ausgebaut und widerstand in den Franzosenkriegen lange Zeit dem Beschuss, fiel aber 1690 nach neunmonatiger Belagerung. Die Franzmänner besetzten die Burg bis 1706, dann wurde es wieder mächtig katholisch, denn das Kölner Domkapitel schickte eine Besatzung. Die benahm sich aber derart tüchtig daneben, dass sich Kurfürst Joseph Clemens von Bayern gezwungen sah, dem liederlichen Treiben 1714 mit Eroberung und einer Sprengung zu begegnen. „Es ist keine Stelle, welche den eigentümlichen Zauber der Ahr so tief und mächtig auf den Beschauer wirken ließe...g, so den Zerstörungen zum Trotz der hochinteressante Theologe, Professor, Schriftsteller und Politiker Gottfried Kinkel in seinem Werk „Die Ahrg von 1846. Das gilt es, mit eigenen Augen zu überprüfen!

Die lediglich knapp einstündige Anfahrt, die alleine schon ein Knüller ist, gestattet mir einen tiefenentspannten Tagesbeginn. Der immer wieder durch Sonnenlöcher durchbrochene Hochnebel zaubert eine phantastische Landschaft, die richtig Lust auf die heutige Aufgabe macht. Noch ist es mit im wahrsten Sinne des Wortes erfrischenden 14°, die sich im Laufe des Tages verdoppeln werden, äußerst angenehm temperiert. Die neue CD von Motörhead, im offenen Auto in Konzertlautstärke genossen, hebt den Adrenalinspiegel zusätzlich. Ob Eingeborene dadurch geschädigt wurden, ist nicht überliefert.

An die Martinshütte, eine geschlossene Schutzhütte der Gemeinde Altenahr oberhalb des im Tal gelegenen Ortes, haben die Selbstläufer Altenahr unter Führung von Annette und Eule Frings Start und Ziel sämtlicher Wettbewerbe gelegt. Neben dem Ultratrail werden noch Strecken über 33, 16, und 5,75 km Länge angeboten sowie Schüler über 1.400 bzw. 700 m gescheucht. Die Fringse sind selber begeisterte Ultraläufer, kürzlich waren sie noch auf dem Trail Römische Weinstraße unterwegs (Annette über die 31, Eule über die 70 km). Und dabei tierisch schnell, Annette ist z. B. Seriensiegerin des Ahrathons. 

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Nach spätestens achteinhalb Stunden sollte man heute wieder zurück sein. Die werde ich allerdings hoffentlich nicht ausschöpfen müssen, denn auf mich wartet am Abend noch eine große Geburtstagsfeier, die ich auch mit schlappen Beinen nicht versäumen möchte. Die längeren Laufstrecken (vor allem der K52) führen nicht nur über herrliche Wanderwege, sondern nutzen auch längere, anspruchsvolle Singletrails, informiert uns der Veranstalter auf seiner Webseite. Das ist genau mein Ding und deshalb bin ich froh, nach der Begrüßung etlicher lieber Lauffreunde und Eules Einweisung pünktlich um 9:30 Uhr losrennen zu können. Den Starter hatte ich glücklicherweise noch in letzter Sekunde vom Suizid abhalten können.

Der Kurs sieht zunächst eine flache Runde um die Hütte vor, auf deren Rückseite wir die Reste der Burg Are auf dem gegenüberliegenden Hügel mit Altenahr im Tal ausmachen können. Mit tosendem Beifall der nicht ganz so zahlreichen Zuschauer und Treichelgeschwinge werden wir ein paar Minuten später dann endgültig aus dem Startbereich verabschiedet. Jetzt würdest Du gerne wissen, was eine Treichel ist! Regelmäßige M4Y-Leser kennen die Dinger von den Berichten über die zahlreichen alpinen Marathons und Ultras, wo sie den Kühen am Hals hängen. Die Glocken, nicht die Leser.

Kaum sind 3 km absolviert, begrüßt uns der 1972 eröffnete Rotweinwanderweg, der hoch über dem Boden des Ahrtals die Weinorte des Weinbaugebiets an der Ahr verbindet. Über Teile von ihm führen seit Jahren u. a. der Rotweinwanderweglauf und der Ahrathon. Die Route geht von Altenahr über Mayschoß, Rech und Dernau zur bekannten Felsformation Bunte Kuh bei Walporzheim und zum ehemaligen Kloster Marienthal. Sie führt weiter zur Dokumentationsstätte Regierungsbunker, der Römervilla bei Ahrweiler, der Gedenkstätte am Silberbergtunnel und über Heppingen zum Bahnhofsplatz von Bad Bodendorf.

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Die visuellen Eindrücke sind einfach traumhaft, Wingerte unter blauem Himmel, soweit das Auge reicht, ein Genuß für Auge und Herz. Wer nicht aus einem Weinbaugebiet kommt, muß das wenigstens einmal erlebt haben. Alpine Läufe sind auf ihre Weise ebenfalls traumhaft, aber auch durch Weinberge muß man unbedingt gelaufen sein, es ist einzigartig und mit nichts vergleichbar. Fast unvergleichbar sind auch die Westerwälder Ultragrößen Sigrid und Roland. Während Sigrid meint, ihren Roland, der das Jahr 2016 lauftechnisch bereits durchgeplant hat, bremsen zu müssen, hat sie hinsichtlich eines Großvorhabens in zwei Wochen am Vortag zwei Einheiten von je 23 km absolviert. Und das vor dem heutigen K52 mit 1.650 Höhenmetern. Beide laufen in ihren Finishershirts meines Wiedtal-Ultratrails, das empfinde ich fast als Ritterschlag.

Mayschoß mit seinen rund 900 Einwohnern beherbergt die im Jahre 1868 gegründete älteste deutsche Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr mit ihrem berühmten Weinkeller. Stolze 145 ha Rebfläche werden hier bearbeitet, wovon ca. 80 % auf rote und 20 % auf weiße Rebsorten entfallen. Die Hauptrebsorte ist der Spätburgunder gefolgt von Riesling. In kleinen Mengen werden auch Frühburgunder, Portugieser, Domina (das ist nichts Unanständiges!), Weißburgunder und Müller-Thurgau angebaut. Ihr größtes Naturdenkmal ist die Burgruine Saffenburg, die wir später noch besuchen werden. Überall sind Winzerfamilien bei der Arbeit und geben uns im Vorbeilaufen einen guten Einblick in ihre segensreiche Tätigkeit in den Steilhängen.

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Die erste Verpflegungsstelle versorgt uns mit allem Nötigen, nachdem wir auf jeder Menge Bergabmetern ein schönes Ausflugslokal mitten im Berg passiert haben. Idylle pur! Wer von weiter weg kommt tut sich wirklich etwas Gutes, an der Ahr ein paar Tage Quartier zu beziehen. Die Wiesbadener Petra und Volker zeichnen sich durch besondere Intelligenz aus, denn sie laufen sowohl hier als auch bei meinem Wiedtal-Ultratrail im gegenüberliegenden rheinischen Westerwald.

Über einen ersten anspruchsvollen Singletrail, so wie ich es liebe, geht es im Folgenden durch Wald steil bergab. Schwedenkopf heißt der Berg, den wir nach 9 km erreichen. Er liegt gegenüber der Mayschoßer Saffenburg. Von hier aus soll das einst gewaltige Schloss auf der rechten Ahrseite im Dreißigjährigen Krieg beschossen worden sein. Und tatsächlich fanden Arbeiter bei der Sanierung der alten Umfassungsmauern mehrere Kanonenkugeln, die zwischen den Steinen steckengeblieben waren.

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Herrlich ist der Weg unmittelbar durch die Reben, danach sehen wir bei km 11 Dernau, das schon zu Römerzeiten bestand, im Tal liegen. Das milde Klima im Ahrtal ist hierfür die Ursache, man begann u.a. Weinbau zu betreiben. Am Fuße der nach Süden zeigenden Rebhänge ist eine römische Brand- und Scherbenschicht vorhanden und beim Bau der Keller des Dernauer Winzervereins 1884 sowie bei verschiedenen anderen Gelegenheiten legte man Teile einer römischen Hofanlage mit Warmwasseranlagen, Mosaiken, Badeanlage und einem Gräberfeld frei.

Zwischen 1960 und 1972 entstand zwischen Dernau und Ahrweiler der sogenannte Regierungsbunker der Bundesrepublik Deutschland, der den damaligen Verfassungsorganen aus dem nahegelegenen Bonn als Ausweichsitz für den Verteidigungsfall dienen sollte und nach Ende des Kalten Kriegs aufgegeben wurde. Ein kleiner Teil der einst weitläufigen Anlage ist heute in ein Museum des Kalten Krieges umgewandelt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der weitaus größere restliche Teil des Bunkers wurde jedoch entkernt und verschlossen. Beim Ahrathon wird direkt daran vorbeigelaufen. An der ersten Verpflegungsstelle gibt es auch zum zweiten Mal Lebenserhaltendes.

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Auf der gegenüberliegenden Ahrseite erkennt man nach 13 km Rech am Fuße des Steinerbergs, einem der höheren Berge des Ahrgebirges, der uns im weiteren Verlauf, und das auf heftige Weise, noch droht. In Rech steht mit der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbauten Nepomuk-Brücke die älteste noch erhaltene Ahrbrücke, die als einzige die große Flut von 1910 überstand. Neidvoll schaue ich, zurück im Tal, vier km später auf den Campingplatz Mayschoß mit seinem mehr als einladenden Planschbecken. Wieder auf den Rotweinwanderweg zurückgearbeitet sitzt eine dralle junge Dame Marke potentielle Weinkönigin auf dem Anhänger eines Traktors. „Wirf Dich mal in Position!“ entfährt es dem Reporter, der damit eine zarte Röte auf ihr Gesicht und ein verschmitztes „Nicht, wenn der Papa dabei ist!“ produziert. Herrlich!

Nach rund 20 km wechseln wir im 1405 erstmals urkundlich erwähnten Weindorf Reimerzhoven mit der Kapelle zur schmerzhaften Mutter Gottes auf die andere Ahrseite. Am Fuß der Brücke bietet mir der dort stehende Streckenposten an, ein Bild von mir zu schießen und sprintet zur anderen Brückenseite vor, wo der nächste VP auf dem anderen Ahruferweg plaziert ist. Ich verpflege in Ruhe, höre etwas von „Hier ist die Runde“, sehe von links zwei Läufer ankommen und setze mich demzufolge nach rechts, wo ich am Boden direkt eine der üblichen Wegmarkierungen sehe, in Bewegung. Endlich kommen danach etliche flache Meter entlang der Ahr und des Langfigtals. Hier, unterhalb der Ortslage von Altenahr, liegt das Naturschutzgebiet „Ahrschleife bei Altenahr“ zum Schutz der Flußlandschaft mit ihren Felsbildungen und des Lebensraums bedrohter Vögel und wildwachsender Pflanzen.

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Wieder bergauf habe ich plötzlich einen kaum halb so alten jungen Mann an meiner Seite. Nanu, solch ein fittes Kerlchen wurde durch einen älteren Herrn bisher auf Distanz gehalten? Er habe ein Tief, erzählt er mir, und hinge richtig durch. Mit der geballten Erfahrung von 14 Laufjahren rede ich ihm in väterlicher Manier zu: Er habe sich doch bis jetzt wacker gehalten, das passiere jedem Mal und da käme man in aller Regel auch wieder heraus. Dermaßen moralisch aufgepäppelt stöhnt er, es seien ja glücklicherweise nur noch 25 km. Nee, 32, sage ich. Nee, 25, sagt er. Ich will es kurz machen: An der letzten Verpflegungsstelle hätte man mich nach schräg oben leiten sollen, das ist aber unterblieben und ich, ganz aufs Fotografiertwerden und Verpflegen konzentriert, habe diesen dritten Weg nicht gesehen und daher die 7 km-Runde ausgelassen. Mir und Euch fehlen somit u.a. der Abschnitt Krähhardt und die Saffenburg, als älteste Ruine des Ahrtals und Relikt einer hochmittelalterlichen Höhenburg aus dem 11. Jahrhundert auf 253 m ü. NN oberhalb des Ahrtals. Deren stark kriegsbeschädigten Reste waren Anfang des 18. Jahrhunderts unterminiert und gesprengt worden. Jetzt wißt Ihr das wenigstens.

Was also tun? Zunächst einmal macht sich tiefer Frust in mir breit. So etwas Blödes aber auch! Noch nie habe er gehört, sagt mir der Junior, daß sich hier jemand verlaufen habe. Zack, das sitzt! Mein Frust wird nur noch größer. Am nächsten VP klage ich mein Leid, man rät mir weiterzulaufen. Das sehe ich auch ein, aber wie soll man das spätere Resultat anerkennen? Klar, 45 km werden es dann sein und auch weit über tausend Höhenmeter, aber die sind nicht ausgeschrieben. Dazu habe ich das Problem, als langsamer Läufer von schnellen eingeholt zu werden, die sich fragen, wo die Krücke vor ihnen, die zur Zeit auf Platz Sieben liegt, herkommt und vor allem, was sie da verloren hat. Mein Kragen schwillt weiter, dieser Stau muß raus. Und so nehme ich die Beine in die Hand und drücke den Berg hoch. Es dauert lange, bis die Beiden mich einholen.

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Was ich dann erstaunlicherweise nicht versäume sind die zusätzlichen fünf km dieses Jubiläumslaufs, die mich noch mal runter zur Silvesterhütte, über einen kleinen Trail zum Auschsbachtal und dann in einem langen, steilen Aufstieg zum Steinerberg bringen. Dort auf halber Höhe dann der nächste moralische Tiefschlag. „Soll ich von Dir ein Bild fürs nächste Wahlplakat machen?“, höre ich eine vertraute Frauenstimme hinter mir. Birgit Lennartz, die ehemalige 100 km-Weltrekordinhaberin läuft als erste Frau auf mich auf. Ist mir das peinlich! „Biggi, bevor Du Dich wunderst…“ kläre ich sie auf und erhalte von ihr den gleichen Rat wie am letzten VP. OK, langsam beginne ich mich mit meinem ach so harten Schicksal abzufinden und hänge mich, schneller als ich eigentlich sein sollte, den nächsten km an sie dran. Will ja schließlich gut aussehen!

Den Steinerberg nach (bei mir) 31 km als einen der höchsten Berge in der Eifel kenne ich bereits aus schweißgetrübtem Blick, denn hier hat mich und andere Wilde im Winter der Pirmin über abenteuerliche Trails schon einmal hochgejagt. Der Weg hinauf ist echt der Hammer, Alpingefühl im Mittelgebirge. Auf seiner Spitze steht, 531 Meter über N.N. oberhalb von Kesseling, der 1911 vom Eifelverein Bonn erbaute Landgasthof Steinerberghaus. Ich genieße den herrlichen Panoramablick auf die Hohe Acht (den höchsten Berg der Eifel mit 747 über N.N.), den Aremberg, den Rheinbacher Stadtwald und die Grafschaft. Und vor allem den hiesigen VP, der wiederum alles beinhaltet, was des Ultraläufers Herz höherschlagen läßt. Inkl. des ausgeschenkten Rieslings, den ich nach meinem Ahrathon (da gab’s Sprit an jeder Tränke) nicht auslasse. Man merkt an allem deutlich, daß heute Ultras einen Lauf für ihresgleichen ausrichten und wissen, was zu tun ist.

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Den Steinerberg herab führt ein steiler Wurzelweg, der es wirklich in sich hat, glücklicherweise kann ich mich an den von unserer Wintertour her noch gut erinnern und bin solche Wege auch von zuhause aus gewöhnt. Wenn es Dich hier im Schweinsgalopp bergab auf die Fresse haut, dann gute Nacht, Marie! Der Ausblick auf das tief im Tal liegende Bad Neuenahr-Ahrweiler und die Hochbrücke der A61 ist einfach grandios. Das ständige Auf und Ab von ganz unten nach ganz oben, um das dann mehrfach zu wiederholen, erinnert mich fatal an meinen eigenen Wiedtal-Ultratrail. Wie kann man nur auf so bekloppte Ideen kommen? Welcher halbwegs Intelligente macht so etwas freiwillig?

Über den Wintersberg und Altenburg kommt vergleichsweise früh die nächste Atzung. Oder bin ich einfach zu schnell, zu abgelenkt mit meinen Gedanken, wie ich meinen Fall mit dem Veranstalter im Ziel löse? Auf jeden Fall lenken die beiden Tarahumara light ab, die unbedingt geknipst werden wollen, der eine in Five Fingers, der andere in wirklich Tarahumara-ähnlicher Fußbekleidung. Auf jeden Fall sind die beiden sehr mutig, tun ihren Füßen sicher Gutes. In diesem Augenblick bedauere ich es doch, daß ich mich als Barfußfan im letzten Augenblick gegen leichte Schlappen entschieden habe. Bergab überholt mich der gleichalte Fritz in einem Affenzahn. Gerade erst zu unserem heimischen Lauftreff gestoßen ist sein nächstes großes Zeitziel die Justizmeisterschaft, bei der er den Zehner unter 37 min laufen möchte. Respekt!

Wieder im Tal geht es erneut über die Ahr und einige Zeit flach über den Uferweg, ich unterquere ein Eisenbahnviadukt und ein Hochstraße. Wieder geht’s hinauf, auf einem kleinen Felskegel oberhalb des Altenahrers Ortsteils Kreuzberg steht die Höhenburg Kreuzberg, die an einer Seite steil zur Ahr abfällt. Seit 1820 ist sie Wohnsitz der Familie von Boeselager und damit die einzige bewohnte Burg im Ahrtal. 5 km vor dem Ziel dann der letzte VP, den ich nochmals in höchsten Tönen lobe und zu meinem Erstaunen höre, daß es kürzlich bei einem alpinen Marathon im deutschsprachigen Raum letztens nur Wasser und Cola gegeben haben soll. Welch ein Glück, daß die Altenahrer Selbstläufer sich da besser auskennen!

Dann gehtfs die letzten km wieder stramm bergauf, nur noch einer überholt mich, ich laufe weiterhin schneller, als es mir gut tun sollte. Beim dünn besiedelten Vischeltal und der Bergstation der ehem. Bergbahn Altenahr vorbei kann ich das Ziel förmlich schon riechen. Die 1953 eröffnete Seilbahn Altenahr führte auf einer Seillänge von 650 Metern auf den 354 Meter hohen Ditschard-Berg. In den offenen Sitzgondeln für je zwei Personen überwanden die Fahrgäste einen Höhenunterschied von rund 180 Metern. Auf 10 % der Spitzenauslastung 1975 war die Nutzung zurückgegangen, als man sie Ende 2011 aus wirtschaftlichen Gründen schloß.

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Und ganz am Ende kommt die Hölle tatsächlich nochmals: Die Martinshütte und damit das Ziel fest im Blick, schickt man mich ein zweites Mal auf die Anfangsrunde. Hammer! Halt, das kenne ich von Luxemburg, als Start und Ziel noch an bzw. in der Coque (Halle) war: Da kamen wir nach einer langen, langen Steigung aus der Stadt bei km 37 direkt an die Halle und durften noch fünf km anhängen. Ein Hoch der mentalen Stärke! Und der körperlichen, denn ich sprinte den letzten km und versuche beim Einlauf so auszusehen, wie man es von jemandem, der an dieser Position einläuft, erwarten kann. Unter großem Applaus lobt mich Eule, der Chef, (er schaut, meine ich, ein wenig ungläubig, natürlich zu Recht) und fragt, wie es gewesen sei. „Toll“ sage ich ihm wahrheitsgemäß und dann, er solle das Mikrophon mal ausmachen.

Kleinlaut beichte ich ihm mein Vergehen, denn alles andere wäre jetzt wirklich Quatsch gewesen. Nie nämlich habe ich den Germanistikprofessor aus Rostock vergessen, der auf der Halbmarathonrunde in Palermo zweimal von mir beim Abkürzen erwischt worden war und so sich selbst und alle anderen betrogen hatte. Eule möchte mich auf jeden Fall in der Ergebnisliste lassen, was mir sehr entgegenkommt, aber bitte doch nur auf faire Art und Weise. Ganz kurz tauschen wir uns aus, dann schlage ich vor, für versäumte sieben km Auf und Ab eine Stunde auf meine wirklich gelaufene Zeit aufzuschlagen. Damit ist er sofort einverstanden und meine Welt wieder in Ordnung.

Pirmin, der mich seinerzeit auf den Steinerbergkopf gejagt hatte, ist kurz nach mir im Ziel, und ein geeignetes Opfer zur Seelenmassage. Die Siegerehrung der ersten drei Männer und Frauen wird direkt nach dem Einlauf der dritten Frau durchgeführt, so gelingt es mir, auch diese noch im Bild festzuhalten. Wie nicht selten, kommt das Beste am Schluß. Die Dusche. Wie kommt eine Dusche an eine Grillhütte hoch oben auf einem Berg, fragt Ihr Euch zu Recht. Ganz einfach, indem man an einer kleine Palette einen Duschkopf mit Kaltwasseranschluß plaziert. Selten bin ich den Heldenschweiß genußvoller losgeworden als heute. Daß sich sofort finstere Gestalten einfanden, das im Bild festzuhalten, versteht sich von selbst. Kaffee und Kuchen sorgen anschließend auch für die innere Wiederherstellung.

An dieser Stelle erwartet Ihr normalerweise ein Fazit. Ich glaube, das kann ich mir heute schenken. Ich hoffe nur, daß sich zu den jeweils 65 Finishern über die Königsdisziplin in diesem und im vergangenen Jahr 2016 noch einige weitere hinzugesellen werden. Wer da war, wird es zu würdigen wissen.

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Streckenbeschreibung:
Einrundenkurs über (jubiläumsbedingt) 52 km mit 1.650 Höhenmetern (plus 5 km und 250 HM ggü. der Normalroute), keine Ausschilderung der km.

Startgebühr:
19 bis 21 € (bei Nachmeldung).

Weitere Veranstaltungen:
33, 16, 5,75 km, Schülerläufe über 1.400 und 700m.

Leistungen/Auszeichnung:
Urkunde

Logistik:
Alles unmittelbar beieinander. Dusch- und Waschmöglichkeit unter freiem Himmel.

Verpflegung:
Schlichtweg hervorragend, sehr abwechslungsreich.

Zuschauer:
Wenige