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29. Halbmarathon Palma de Mallorca am 20.03.2022


Krönender Abschluß des Laufcamps

Eigentlich wären wir ja auf Sylt gewesen. Schon seit vielen Jahren liegt mir der Syltlauf mit seinen 33,33 km über fast die gesamte Länge der Insel in der Nase. Auch die Gattin war von einer Woche Urlaub auf Deutschlands Schickimicki-Insel Nr. 1 schnell überzeugt, also wurde gebucht. Leider fiel der Lauf frühzeitig dem unsäglichen Virus zum Opfer und wurde abgesagt. Glück im Unglück: Wir hatten noch vier Tage Zeit, unsere Unterkunft kostenfrei zu stornieren, was wir auch flugs taten. Verschoben ist jedoch nicht aufgehoben! Wenn man sich auf eine Woche Urlaub eingestellt hat, will man die auch machen. Die Alternative „Weißes Rössl“ am Wolfgangsee konnten wir wegen derer Betriebsferien leider nicht ziehen. Was tun?

Seit vielen Jahren schon pflegen wir freundschaftliche Beziehungen zu den Gründern von Laufcampus, den Euskirchenern Gisela und Andreas Butz. Vor etlichen Jahren waren wir mit denen schon einmal in der Nähe Zermatts zum Marathoncamp gewesen und hatten sehr gute Erfahrungen gemacht. Warum nicht noch einmal an anderer Stelle? Gut, ein Marathon war diesmal nicht im Angebot, aber eine angenehme Trainingswoche mit zwei Tagen Verlängerungsoption für einen 10 km-Lauf bzw. Halbmarathon. Auch damit erklärte sich die beste Ehefrau von allen einverstanden, daher ging's auf der Deutschen allerliebste Insel, sozusagen ins 17. Bundesland nach Mallorca. Für uns, die wir normalerweise kaum einmal an den Ort unserer Schandtaten zurückkehren, ist es bereits der fünfte Besuch auf der Sonneninsel.

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Die jedoch zeigt uns ihre im wahrsten Sinne des Wortes kalte Schulter. War es in der Vorwoche noch warm und sonnig gewesen, konnten wir von Glück reden, mal 15 Grad erreicht zu haben, drei Tage lang von starken Winden der Stärke 6-8 begleitet, wie uns erfahrene Nordseeanrainer versicherten. Wenigstens fielen nachts die Temperaturen kaum. Das Hotel in Ca'n Picafort in der Bucht von Alcudia war angenehm, das Essen hervorragend, das Programm durchaus nicht ohne: Jeder Tag begann (natürlich auf freiwilliger Basis) um 7:10 Uhr mit einer halben Stunde Yoga, dem ich mich erstmals selber inhaltlich näherte. Und siehe da: Es tut mir gut und wird auch nach dem Ende des Urlaubs beibehalten werden. Lauf-ABC, Stabilisationsübungen, zahlreiche Fachvorträge und natürlich tägliche Läufe rundeten das Programm ab. So war die Woche nach 82 Laufkilometern schnell vorbei, der läuferische Höhepunkt stand vor der Tür.

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Ein Reisebus bringt unsere Truppe in einer knappen Stunde nach Palma, der Parkplatz am Hafen erweist sich als optimal, da fußläufig zum Start. Die Startnummern hatten wir bereits am Vortag im Kaufhaus El Corte Inglés abholen können, ein schönes Erinnerungsshirt war auch dabei. Wettertechnisch ist es eher mau, wieder mal nur um die 15 Grad, es werden uns auch einige Schauer angedroht. Dafür stimmt das Ambiente: Das Ziel liegt am Seeufer unmittelbar auf der Gegenseite der Kathedrale, eine Garantie für schöne Fotos. Der Start wird auf der Avinguda d'Antoni Maura stattfinden, die unmittelbar auf die (gesperrte) Hauptverkehrsstraße am Meeresufer führt. M4Y-Kollege Anton Lautner treffe ich bereits den zweiten Tag hintereinander, gemeinsam retten wir uns vor einem Schauer unter den großen Schirm eines Geschäfts. Zunächst sind die Zehner dran, Elke muß leider verletzungsbedingt passen. Schön ist es, zahlreiche Laufcamp-Teilnehmer anzufeuern, leistungsmäßig ist die ganze denkbare Breite angetreten. Eine halbe Stunde später um 10:30 Uhr werden auch wir Halbmarathonläufer losgelassen.
 

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In der ersten Kurve steht die beste Ehefrau von allen, knipst, was das Zeug hält und übersieht den Gatten. Weiber! Unsere Laufstrecke, die Avinguda Adolfo Suárez (also nicht unserer) ist dank Zweispurigkeit super zu belaufen, es gibt keinerlei Behinderung. Die Palmenreihen als Fahrbahnteiler und das Meer mit zahlreichen Schiffen im Hintergrund sind jetzt schon  Träumchen zum Anschauen. Hät jet, wie man bei uns zu sagen pflegt. Rechterhand zeigen sich eine Bastion und mehrere historische Bauwerke in gutem Zustand. Der sollte auch bei mir ordentlich sein. Mein 10 km-Test von vor 14 Tagen mit gut 49 Minuten sollte eine Zeit von deutlich unter zwei Stunden als Minimalziel erlauben. 1:55 Std. gerne, jede Minute darunter würde ich als Bonus bewerten. Klar, die Zeit, in der ich flach unter 1:35 Std. laufen konnte, ist unwiderruflich vorbei, aber damit habe ich mich schon lange gut arrangiert.

Der Blick zurück zeigt noch einige „Konkurrenz“ hinter mir, das beruhigt. Auf der Gegenseite kommen die Zehner zurück, Gisela sehe ich, auch Gesa winkt dem Fotografen entspannt entgegen. Fort und kleiner Yachthafen zur Rechten, großer zur Linken, es gibt viel zu sehen, um sich abzulenken. Obwohl ich das, ehrlich gesagt, gar nicht brauche. Schön ist es trotzdem. Auf der Gegenbahn kommen bereits die beiden Führenden im Affenzahn entgegen, sie liegen jetzt schon bestimmt einen bis anderthalb km voraus. Exakt in dieser Reihenfolge, wenn dann auch knapp zwei Minuten voneinander getrennt, werden sie das Rennen in starken 1:06 bzw. eben 1:08 Std. für sich entscheiden. Im Kreuzfahrthafen liegt die Mein Schiff 2 und weckt zarte Erinnerungen an unsere zwei Wochen Karibik, die wir mit viel Glück und auf genau  diesem Dampfer  gerade noch vor Beginn der Pandemie in vollen Zügen haben genießen können. In der langgezogenen Rechtskurve kommt mir schon der Toni mit ordentlichem Vorsprung entgegen. „I kack ab!“ wird er mir später zurufen. Ich wäre dankbar, als 1960er in 1:37 Std. abkacken zu können.
 

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Nach etwa 4,5 km und damit deutlich vor der Militäranlage, in der im Oktober gedreht wird, kommt der westliche Wendepunkt. Kurz darauf sind die ersten fünf km in 27:08 min., man attestiert mir Position 259 von 362 Gestarteten und 349 späteren Finishern. Die Pace von 5:20/min ist ok und paßt zu meiner (realistischen) Planung. Kurzweil ist angesagt, denn auf der Gegenseite kommen noch etliche, auch bekannte Mitstreiter an, ein stetes Hallo ist die Folge. Echte Hingucker, wenn auch vor beleidigendem, modernem Haushintergrund sind sowohl der Torreta de Can Salas sowie der Torre de Paraires, beide zur Linken. Kurz darauf erfolgt die erste Verpflegung, wie angekündigt ausschließlich mit Wasser. Ich weiß, schon oft habe ich es gesagt: Das ist ok und vollkommen ausreichend, kein Mensch benötigt auf dieser dann doch überschaubar langen Strecke etwas anderes. Top ist die Nutzung ausschließlich wiederverwendbarer Becher, für deren Ablage man mehrere Tonnen hintereinander aufgereiht hat. Wie oft landet Müll in der See!

Ein erfrischender, zu 100% überflüssiger Guß von oben nervt die nächsten Minuten, doch dies sollte der einzige bleiben. An der alten Mauer vorbei und ebenso an unserer ehemaligen Startaufstellung sind wir schon bald auf Höhe der Kathedrale, jetzt geht’s nach Osten, um die erste der heutigen zwei Runden zu vervollständigen. Den Parc de la Mar mit seinem vorgelagerten Skulpturenpark zur Linken, die See zur Rechten ist dann auch bald der zweite Wendepunkt erreicht. Unterwegs schießt mich wieder Katrin mit ihrem Smartphone ab. Den Weg des Startareals müssen wir hinauf – im wahrsten Sinne des Wortes, denn hier liegen einige der insgesamt 60 Höhenmeter – bis zu einer hübschen, runden Wasserfontäne, die also den dritten Wendepunkt gibt. Hinuntergesaust, rechts abgebogen und die zweite Runde ist in Angriff genommen. Leicht verloren habe ich, zurückgefallen von Position 259 auf 262, hochdramatisch also. Stolze zwei Sekunden länger habe ich für die zweiten fünf km benötigt, laufe also wie ein Uhrwerk oder besser gesagt alter Diesel.
 

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Beeindruckend sind die nicht wenigen zumindest körperlich stark Behinderten, die von Helfern über die Strecke geschoben werden und so am Ereignis teilhaben können. Großer Respekt für alle Beteiligten. Hinter mir wird später eine Gruppe ins Ziel kommen, welche die Hauptperson aus dem Wagen gehoben und mehr oder weniger über die Ziellinie geschleppt hat. Für die Betroffenen sicherlich hoch emotional, für uns Zuschauer großes Kino. Das Wetter hält, die km plätschern fleißig vor sich hin. Für die km 10 bis 15 brauche ich eine Minute weniger als vorhin und „stürme“ auf Position 239 vor. Andreas Butz macht vom Straßenrand ein nettes Video und gibt den Motivator. Nochmal die zweite Wende genommen, letztmalig die Startgerade hochgejagt, na ja, gelaufen wohl eher, nur nicht übertreiben. Der vierte Fünfer wird nicht separat gemessen, aber auch die Zeit für die fehlenden 6,1 km (31 min) paßt.
 

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Die wenigen hundert Meter des Zieleinlaufs sind wirklich schön: Unter mehreren Torbögen hindurch und entlang eines gewundenen Zielkanals geht es genau ans Südufer des Parc de la Mar. Wohl dem, der nicht aus dem letzten Loch pfeift und Augen für seine Umgebung hat! Den See, die Fontäne vor der Kathedrale, das Gotteshaus selber links, die Fans zur Rechten – Läuferherz, was willst Du mehr? Noch ein paar finale Meter, dann ist es nach 1:51:31 Std. netto geschafft. Klasse! Platz 230, eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 5:18 min/km und keinesfalls am Ende. Das ist auch nicht der bald 74jährige Heinz, der in beeindruckender Manier kaum zwei Minuten später durchs Ziel stürmt, Respekt! Die eigene Zufriedenheit steigert die hübsche Medaille und das Finisherbier mit oder ohne Drehzahl, das die feste Nahrung begleitet. Eine gute Gegenleistung für 21 €, von der man als Besitzer eines ChampionChips noch zwei abgezogen bekommt.
 

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Einige von Euch kennen mich und fragen sich bestimmt: Wofür braucht der alte Sack ein Laufcamp? Er braucht es nicht, kann es aber gut gebrauchen. Denn eine sportliche Woche mit vielen neuen Bekanntschaften in angenehmer Atmosphäre (trotz vergleichsweisen Scheißwetters, aber dafür können die Butze nichts), ordentlichem Hotel mit vorzüglichem Essen tut jedem gut. Und ehrlich: Wer von uns hat die Weisheit mit Löffeln gefressen? Ich nehme auch in fortgeschrittenem Alter noch gerne Ratschläge an. Und wenn man dann nach der Video-Laufanalyse als leuchtendes Beispiel für den perfekten Mittelfußlauf herhalten darf, schwillt die Brust. Das hat man doch auch nicht ungern. Diese Laufcamps – und nicht nur diese - werden mehrfach im Jahr angeboten: Schaut Euch mal bei Laufcampus um, es lohnt sich. Und nein, ich bin nicht am Umsatz beteiligt, ich meine es ehrlich. Uns hat es Spaß gemacht.
 

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