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4. BayArena-Marathon am 15.01.2022


Mehr als nur ein Trostpflaster 14.0: An Dhünn und BayArena

Mir gefallen gleichermaßen Stadtmarathons mit zahlreichen Zuschauern wie auch landschaftlich besonders attraktive Läufe, auf denen das Publikumsinteresse bekanntermaßen deutlich weniger ausgeprägt ist. Was aber tun, wenn diese Läufe wie derzeit wieder reihenweise dem Virus zum Opfer fallen? Wir Clubmitglieder sind da kreativ, wenn wir – natürlich nicht gänzlich uneigennützig – die sog. Null-Euro-Läufe mit Startzeitfenster und Verpflegung aus dem Kofferraum mit anschließender Urkunde, quasi als Trostpflaster, anbieten. Dem einen ist eine Maximalzahl anerkannt absolvierter Marathonläufe wichtig, anderen wie mir, der die Distanz grundsätzlich „nur“ einmal monatlich zurücklegt, einfach „im Geschäft“ zu bleiben. Klar kann man 42,2 km auch alleine unterwegs sein, aber mit kleiner Begleitung und Anerkennung in Form einer Urkunde ist doch deutlich netter.

Nach der Aussetzung der Zählbarkeit im Frühjahr 2020 – die Älteren unter uns werden sich an den Aufruhr erinnern – nahmen zunächst die Bedeutung und später auch das Angebot deutlich zu. Für mich war es nach der Wiederaufnahme der Zählbarkeit die empfundene Rettung, im Mai desselben Jahres mit Wolfgang Gieler durch die Bonner Rheinauen zu joggen. Eine ganz neue Erfahrung war es, so ganz ohne Motivation von außen und nur vom eigenen Willen getrieben unterwegs zu sein. Obwohl: Wer jemals in der Senftenberger Halle 169 Runden auf der 250 m-Bahn zurückgelegt hat, den erschüttert so schnell nichts mehr.

Neben dem einen oder anderen großen bzw. größeren Lauf, die ich wieder unternehmen konnte, bin ich zumindest zwischendurch unseren Kleinveranstaltungen treu geblieben und konnte zahlreiche Trostpflaster auflegen. Hinzu kamen nämlich Ahrufer, Rhein-Herne-Kanal, Ville, Südpark, Schloßpark, Lac Régate, Vorgebirge, Tiergarten – Ihr kennt sie alle.

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Erschwerend kommt für mich dazu, daß ich grundsätzlich jeden Marathon nur einmal absolviere, um möglichst viel Unterschiedliches kennenzulernen. Im letzten Jahr haben meine Lauftrefflerin Hanne und ich bei ihr in Roßbach/Wied einen eigenen ausgerichtet, an dem stolze zwanzig Personen teilnahmen. Heute also hat es Hanne und mich nach Leverkusen verschlagen, wo wir an Detlefs BayArena-Marathon entlang der Dhünn und um die sportliche Heimat von Bayer 04 Leverkusen teilnehmen.

Verabredungsgemäß treffen wir uns nach einstündiger Anfahrt um kurz vor acht Uhr mit unserem mittlerweile langjährigen Lauffreund Christian, zu dritt wollen und werden wir – selbstverständlich geboostert und getestet - heute unterwegs sein. Detlef hatte uns das Angebot einer gemeinsamen Runde zum Kennenlernen der Strecke unterbreitet, das wir gerne annehmen. Gleich vorweg: Die Streckenführung ist so einfach und mit blauer Sprühkreide bereits perfekt markiert, daß selbst ich mich nicht verlaufen kann. Obwohl es gerade bei solch einem Quasselmarathon durchaus Sinn macht, auf mich aufzupassen. Im angeregten Gespräch mit Detlef verfliegt die erste Runde von 5,66 km, kaum daß ich sie richtig wahrgenommen habe. Sieben werden es insgesamt, sodaß 2,8 zusätzliche km erforderlich sind, um auf die Gesamtdistanz von 42,42 (!) km zu kommen. Daher drehen wir drei nach weiteren 1,4 km um und überlassen Detlef seinem weiteren Schicksal. Wie wir uns überzeugen können, finden sich für ihn schnell neue Betreuer.
 

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Wieder an Start und Ziel angelangt, haben wir die Pendelstrecke aus dem Kopf und nehmen die zweite komplette Runde in Angriff. Daher besteht spätestens jetzt die Möglichkeit, Augen sowie Ohren offenzuhalten und vom Kurs zu berichten. Der führt zunächst zwischen der rechts hoch über uns verlaufenden Ständerstraße und einem Trainingszentrum von Bayer 04 entlang, danach wird links abgebogen. Wir kommen auf einen kombinierten Weg, links für Radfahrer asphaltiert, rechts der Fußweg mit festem Kies, der mich, da in der Mitte eine Baumreihe steht, sofort an die lange Allee in Brühl zwischen den beiden Schlössern erinnert.

Rechts des Doppelwegs fließt mit der Dhünn ein kleiner Bach, von dem ich noch nie gehört hatte. Wobei klein relativ ist, denn das letzte Hochwasser hat ordentliche Schäden und Treibgut hinterlassen, wie wir an den noch nicht abgeschlossenen Arbeiten erkennen können. 40 km lang ist sie der längste Neben“fluß“ der Wupper. Laufen am Wasser schätze ich sehr, daher fühle ich mich direkt zuhause. An einer kleinen Fußgängerbrücke vorbei nähern wir uns der Heimat von Bayer 04 Leverkusen, der BayArena, uns Älteren noch als Ulrich-Haberland-Stadion wohlvertraut. In den fünfziger Jahren erbaut, bietet es 30.000 Zuschauern Platz und zählt damit zu den kleinen Arenen im gut bezahlten Fußball. Wir lassen es links liegen und versuchen, einige der auf überdimensional großen Bildern dargestellten ehemaligen Vereinsgrößen zu identifizieren. Vorbei am Wendepunkt der Zusatzstrecke von 2,8 km unterqueren wir eine große Brücke mit bunten, durchaus attraktiven Graffitis an beiden Brückenköpfen. Die ganz wenigen Höhenmeter zurück auf Normalniveau werden uns doch tatsächlich am Ende wie kleine Hügel vorkommen, und das uns berggestählten Westerwäldern!
 

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Schön ist es wie immer, den Laufkameraden zu begegnen. Detlef hat einige Mitstreiter um sich versammelt, Arno erkenne ich auch im gewohnt flotten Tempo vorbeiziehen. Hinter der nächsten Brücke ist ein kleines Dreieck abzulaufen, das uns auf den Rückweg bringt. In der vorletzten Runde können wir hier einen Schäfer mit seiner Herde beim Grasen zuschauen. Also, nicht der Schäfer grast, aber seine schmackhaften Schützlinge! Ein Hingucker ist das Trafohäuschen kurz dahinter mit Motiven aus der Bayer 04-Fußballwelt. Wenn alle Graffitis so aussähen, gäbe es weniger zu meckern. Auf dem weiteren Rückweg kommen wir an mehreren veritablen Treibholzhaufen vorbei. Ich vermisse meine Motorsäge, die Gelegenheit wäre günstig.

Zurück am Stadion nehme ich mir die Zeit, um die Graffitis an den Brückenköpfen genauer zu betrachten. „Nordkurve“ lese ich an der gegenüberliegenden Seite. Beim tollen Bild Ulf Kirstens biegen wir scharf ab, um die BayArena anders herum zu umkurven. Ich müßte mal wieder ein Erstligaspiel besuchen, hier sind die Karten noch bezahlbar und vor allem auch kurzfristig erhältlich. Von der gegenüberliegenden Ostermann-Arena habe ich noch nie etwas gehört. Umso mehr aber von Corona-Teststationen, vor der hiesigen wird die Schlange von Runde zu Runde länger. Schon sind wir wieder an der Ständerstraße und nach wenigen hundert Metern zum Verpflegen am Auto. Und weiter geht’s zum nächsten Kreiseln.
 

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Erfreulicherweise ist die Runde mit 5,66 km ja recht kurz, weshalb uns die verschiedenen Mitstreiter immer wieder begegnen. Fast alle haben regelmäßig einen Scherz auf den Lippen oder zumindest ein Grinsen im Gesicht. Viele kennen sich sehr gut, weil sie sich, anders als ich, gegenseitig wöchentlich besuchen. So ganz langsam sind wir dann doch froh, als die letzte Runde angebrochen ist, denn es ist zwar fast trocken, aber die feuchte Kälte zieht schon durch und ist nicht sonderlich angenehm. Mir schlägt solch ein Wetter in Verbindung mit kalten Getränken immer auf die Blase, was den anderen natürlich reichlich Stoff zum Lästern gibt. Sollten die Bäume im kommenden Frühjahr besonders gut ausschlagen, wißt Ihr, woran es liegt.

Am Ende sind wir alle zufrieden, die 42,2 km dank Detlefs Angebot mal wieder erfolgreich abgespult zu haben. Bei mir lief es erfreulicherweise nach zweimonatiger Marathonabstinenz überraschend gut, denn der Landschafts-Halbmarathon in Aegidienberg Mitte Dezember war in dieser Zeit der einzige im wahrsten Sinnen des Wortes halbwegs lange Lauf gewesen. Jetzt freue ich mich auf die Ende Februar stattfindende 50 km-Runde um meine Geburtsstadt Koblenz. Gerne werde ich von dort berichten.
 

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