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37. Athen-Marathon am 10.11.2019
 

Marathon

„Du bist erst dann ein kompletter Läufer, wenn Du die Originalstrecke von Marathon nach Athen gelaufen bist!“ So sprach der Chef, als ich ihm von meinen Ambitionen erzählte. Und der muß es schließlich wissen, denn der Klassiker fehlt natürlich auch in seiner ruhmreichen Laufvergangenheit nicht. Jetzt bin endlich ich an der Reihe, diese Lücke zu schließen.

Schon eine Woche vor dem großen Ereignis fallen wir in der griechischen Hauptstadt ein, in der die Hälfte der 11 Millionen Einwohner des Landes lebt. Die Linie 1 der Metro bringt uns für zehn Euro pro Nase vom Flughafen innerhalb einer Dreiviertelstunde in die Innenstadt, ein paar Minuten später öffnet sich die Tür unseres Hotelzimmers und – wow! Freier Blick auf die Akropolis! Hätt jet, wie man bei uns zu sagen pflegt, vor allem illuminiert in der Nacht. Echt der Hammer, man gönnt sich ja sonst nichts.

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Sehr bewußt haben wir unser Domizil in der Altstadt (Plaka) mit all ihren Vor- und Nachteilen gewählt. Mitten im quirligen Leben ist für uns Dörfler schon sehr ungewohnt, dafür ist die Geschäfts- und Gaststättendichte unvergleichlich hoch. Andererseits sind die Trainingsbedingungen echt mau. Versucht mal als Frankfurter auf der Zeil, als Münchner durch die Kaufinger oder als Hamburger durch die Mönckebergstraße zu laufen, es ist ein Graus. Nach 1,5 km Slalomlaufen bzw. eher -gehen über die Haupteinkaufsstraße Ermou rettet uns der Nationalgarten (ehem. Schloßgarten), der unmittelbar am Syntagma-Platz liegt (Ihr erinnert Euch an das schlichte gelbe Gebäude, das wir täglich auf dem Höhepunkt der griechischen Finanzkrise mit Herrn Varoufakis bewundern durften). Die konsequent gelaufene, leicht hügelige Innenzaunrunde mißt 1,7 km und ist als Notlösung in Anbetracht der Gesamtumstände gar nicht mal so schlecht.

Das ist auch die Stadt selber nicht. Es gibt wirklich zahlreiche nette Ecken und als Ausgangspunkt für Ausflüge, z.B. nach Marathon, Korinth oder Piräus bzw. eine Eintages-Kreuzfahrt zu drei kleinen Inseln gut geeignet. Man kann es hier also durchaus ein paar Tage aushalten. Und dann gibt es ja noch jede Menge Trümmer. Ich habe in meinem langen Leben schon so viele davon gesehen, daß mich nicht mehr jeder geborstene Marmorbrocken in Ehrfurcht erstarren und phantasieren läßt, was da mal gestanden haben könnte. Daher beschränken wir uns auf einen ausgiebigen Besuch der Akropolis und deren Umgebung, die sich dank Winterzeit für die Hälfte des sonst üblichen Eintrittspreises von 20 € besuchen läßt. Der Hammer ist natürlich das auf den Ruinen des antiken Stadions anläßlich der ersten Spiele der Neuzeit wiedererrichtete, U-förmige  Olympiastadion. Dieses läßt sich übrigens, wie auch zahlreiche Ausgrabungsstätten, sehr gut von außen besichtigen, ohne dafür bezahlen zu müssen.
 

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Zum Besuch der Marathonmesse müssen wir sechs km mit der Straßenbahn ins Tae Kwon Do-Zentrum in Palaio Faliro fahren. Theoretisch, denn die T4 fährt baustellenbedingt derzeit nicht ab Syntagma-Platz ab. Daher fahren wir vier Stationen mit der M2, danach 17 mit der T4. Die Ausstellung ist sehr umfangreich und damit dem Ereignis angemessen. Endlich können wir wieder mal einige Schnäppchen machen, denn an vielen der 165 Stände gibt es zwischen 20 und 50% Nachlaß auf alles mögliche. Was wir jedoch wirklich vermissen, ist einer des Veranstalters mit den üblichen Devotionalien. Wir hatten jeweils das preiswerteste von drei Startpaketen gebucht. Da waren Sachen inkludiert, die wir nicht brauchten, das preiswerteste leider eben ohne Veranstaltungsshirt. Und das gibt es einzeln tatsächlich nicht zu kaufen.
 

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Meine frisch gebackene Halbmarathonläuferin kann ihren jüngst erweiterten läuferischen Horizont nicht im gebotenen Umfang zur Geltung bringen, denn die nächstweite Strecke nach dem Marathon ist ein Zehner. Der wird erstmals nicht parallel, sondern am Vorabend um 17 Uhr gestartet. Los geht's auf einer breiten Straße unweit des Parlaments (Syntagma), dann führt er nach einer kleinen Innenstadtrunde über eine lange Begegnungsstrecke ins Olympiastadion Panathinaiko mit demselben stimmungsvollen Zieleinlauf, den ich mir selber erwarte. Schade, daß ich zu spät auf die Idee kam, gemeinsam mit ihr trotz des nicht niedrigen Startpreises von 23 € (ohne Shirt, aber mit Medaille) zu laufen, da waren die 12.000 Startplätze schon weg. Aber haha, der Herr Bernath wäre nicht er selber, wenn er auf der Messe nicht seinen ganzen Charme ausgepackt und das nette Mädel beim Trouble Desk erfolgreich becirct hätte. Kann man eine ältere Dame tatsächlich mutterseelenallein auf Athens Straßen schicken? Das erweicht ihr Herz. Na ja, meint sie schließlich, sie hätte ja einige Retouren, und eine davon könnte ich haben. Schwups bin ich nachgemeldet.

Der Zehner entpuppt sich als goldene Idee. In einer Riesenmenge Menschen starten wir im sechsten von acht Blocks und drehen unsere Runde durch die sich schnell verdunkelnde Stadt. Der Zieleinlauf ist megascharf, denn hell erleuchtet wirkt das Stadion noch beeindruckender als ohnehin schon. Wir genießen unseren Einlauf und haben natürlich auch unseren  Bundesadler nicht vergessen, der erstmals in Griechenland zum Einsatz kommt. Die Gattin kann trotz 80 Höhenmetern eine persönliche Beszteit erzielen und strahlt über alle vier Backen. Frisch mit einer tollen Medaille dekoriert – dazu später mehr – geht’s gleich anschließend gemeinsam mit den frisch aus München angereisten Judith und Andreas zum Kohlelydratschaufeln.
 

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Natürlich haben wir uns auch im Vorfeld das Startgelände im berühmten Örtchen Marathon angeschaut und (nicht nur dafür) einen Mietwagen genommen. An sich ist das Städtchen reichlich unspektakulär, aber der großräumige Startort hat schon etwas. Selbstverständlich auch das Allerheiligste des Marathonlaufs, ein kleines Museum mit unendlich vielen Ausstellungsstücken zu unserem Lieblingsthema (Eintritt frei). Wir kommen sogar in den Genuß der Exklusivvorstellung eines zwanzigminütigen, sehr interessanten  Dokumentarfilms.

20.000 Gemeldete sind es bei den Marathonläufern bzw. -walkern (8:41 Std. Zielzeit zwischen dem Elitestart und dem allgemeinen Ende). Auch diese vielen Plätze waren ratzfatz vergriffen. Ja, dieser ganz besondere Lauf ist zweifelsohne beliebt und stark nachgefragt, ich jedenfalls freue mich sehr darauf. Die große Menge an Teilnehmern nach Marathon zu bugsieren ist nicht ohne, aber eine endlose Menge an Bussen schafft das mit Abfahrtszeiten zwischen 05:30 und 06:45 Uhr von sechs verschiedenen Startpunkten aus offensichtlich perfekt. Ich bin früh dran und erwische den zweiten Bus ab Syntagma, der eine gute Dreiviertelstunde benötigt. Die selbst erlebten Herausforderungen in Boston und New York beim Massentransport sind allerdings noch deutlich höher.

Viel schon habe ich über die heute zu bewältigende Strecke gelesen. Eine Herausforderung für mutige Läufer sei sie, sagen die Veranstalter, die sie in vier Sektionen einteilen: Nach dem Start in Marathon seien die ersten 3 km leicht abfallend, danach gäbe es bis km 10 einen flachen Verlauf, gefolgt vom zweiten Abschnitt weiterer acht hügeliger km. Die nächsten dreizehn km seien berüchtigt für ihre diversen Hügel und die letzten elf km wieder abfallend. Ist das nun Panikmache? Ich werde es erleben, erinnere mich aber sehr genau an den Hype, den die Bostoner um ihre vier Hügelchen, gekrönt vom sog. Heartbreak Hill, machen („Kill the hill!“). Und das war letztlich nicht halb so wild gewesen.
 

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Noch im Dunkeln steige ich nach einer Dreiviertelstunde griechisch/englischer Dauerberieselung in einer Endlosschleife mit Informationen über den Marathonvorlauf in Marathon aus und nutze meine frisch erworbene Ortskenntnis (z.B. wo die am wenigsten frequentierten Dixis stehen) aus. Jeder bekommt direkt eine Plastiktüte gegen die Morgenkühle (die ich aber nicht empfinde) ausgehändigt, in die man allerdings selber die Öffnungen für Kopf und Arme reißen muß. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist nicht bei jedem kleidsam. Noch auf dem Hinweg soll man seine Kleidertüte bei den vielen numerierten DHL-Wagen abgeben, was ich in Anbetracht des wolkenlosen Himmels auch brav mache. Danach gilt es die Zeit bis zum Start totzuschlagen. Ich schließe Bekanntschaft mit dem Albaner Qiriaki Sotir, der, wenn ich richtig mitbekommen habe, Rekordhalter seines Landes mit seinem heutigen 160. Marathon ist.

Mit Judith und Andreas treffe ich mich wie vereinbart am Ende des sechsten von zwölf Startblocks. Die Bilder mögen Euch ob der Hand- bzw. Armhaltung der Teilnehmer verwirren. Nein, es handelt sich nicht um einen Aufmarsch von Rechtsradikalen, sondern wir schwören bzw. hören zweisprachig griechisch und englisch den olympischen Eid. Sogar die olympische Flamme hatte man entzündet, Respekt! Stefano Baldini, der Olympiasieger von 2004 wird noch als Freizeitläufer angekündigt (der Achtundvierzigjährige wird nur gute 2:50 Std. benötigen), dann startet die Elite pünktlich um 9:00 Uhr. Um 9:08 Uhr ist unser sechster Block dran, exakt eine Minute davor öffnen sich die Schleusen des Himmels zu einem ersten erfrischenden Guß. Was für eine Sch...! Noch keinen Meter gelaufen und schon naß. Glücklicherweise ist der himmlische Segen von nur kurzer Dauer.
 

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Auf der zweispurigen Straße – erfreulicherweise ist auch die Gegenfahrbahn gesperrt – können wir recht bald einigermaßen frei laufen, das habe ich schon ganz anders erlebt. Die Streckenführung soll übrigens mit dem ersten Marathonlauf der Neuzeit anläßlich der ersten olympischen Spiele der Neuzeit 1896 weitestgehend identisch sein. Judith und Andreas sind bald über alle Berge, da der Chronistenpflicht ledig, in Dubai im Januar war's noch umgekehrt gewesen. Jeder km ist einzeln ausgewiesen, was bekanntermaßen nicht ungewöhnlich ist. Dieser Kurs ist allerdings ganzjährig mit großen Hinweisschildern für jeden km ausgezeichnet, darüber hinaus zusätzlich durch Beachflags. Sehr sonderbar finde ich, daß sich einige Rennrollstuhlfahrer mühsam ihren Weg durchs gesamte Feld bahnen müssen. Auch die blinde Läuferin samt Begleitern und einige geschobene Behinderte kommen nicht immer ganz leicht voran.

Nach etwa vier km wird plötzlich nach links abgebogen, ich weiß, was uns erwartet. Nämlich eine Runde um einen Grabhügel, der quasi ein nationales Heiligtum darstellt. Hier erklärt sich die gesamte Bedeutung der heutigen Veranstaltung, der Nach-Lauf eines wichtigen Ereignisses von vor zweieinhalbtausend Jahren. Was war geschehen? Eine Armee von 100.000 Persern unter Führung ihres Großkönigs Daeios I. war 490 v. Chr. an der Küste gelandet, um Athen einzunehmen. Ihm gegenüber stellte sich in der Ebene von Marathon ein Heer von 11.000 Athenern und mit ihnen verbündeten Paraiern. Durch einen srategisch genialen Schachzug gelang es den Athenern unter ihrem Feldherrn Militades, die Perser zum Rückzug zu zwingen und Athen letztlich zu retten. 192 athenische Vollbürger sollen dabei gefallen sein, die in einem Hügelgrab – eben diesem, das wir gerade umrunden – bestattet wurden. Die Kunde vom Athener Sieg brachte angeblich ein Mann namens Pheidippides laufend in die Stadt, wo er nach Überbringung seiner Nachricht („Nenikikamen“ - Wir haben gesiegt!) sein Leben ausgehaucht haben soll. Nun, vermutlich gab es bei diesem ersten, spontanen Marathonlauf noch über lediglich ca. 40 km keine vernünftige Zielverpflegung. Scheinbar bin ich der Einzige, dem der Hügel auffällt, jedenfalls rennen alle in meiner Nähe achtlos daran vorbei und riskieren keinen Seitenblick. Komisch.

Wir sind wieder zurück auf der Hauptstraße. Und wieder gibt es Interessantes zu beobachten, nämlich einen britischen Soldaten im Kampfanzug mit schwerem Gepäck, der Optik nach eher 20 als 15 kg wiegend. Leider bekomme ich nicht mit, weshalb er das tut, und als ich an ihm dran bin, will ich ihn nicht auch noch mit Fragen nerven. Nicht zum ersten Mal werden wir verpflegt. Alle 2,5 km gibt es Wasser in Halbliterflaschen, angereicht von zahllosen Helfern, meist Jugendlichen und Kindern, die sich schwer ins Zeug legen. Überhaupt sind für meine Augen ungewöhnlich viele Helfer aufgeboten. Auch der Zuschauerzuspruch ist unerwartet hoch. Immer wieder stehen kleine Gruppen zusammen, die ausnahmslos anfeuern. Auch sind viele Kinder von den Kinderläufen zurück und präsentieren vom Rand stolz ihre Startnummern und Medaillen, die wir uns erst noch verdienen müssen. Natürlich wollen ganz viele von ihnen abgeklatscht werden. Über alle Wettbewerbe hat man angeblich 60.000 Startplätze verkauft.
 

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Den Sirtaki als Tanz kennt man ja, auch überrascht es mich nicht, die passende Musik vom Straßenrand zu hören. Dann aber zu sehen, daß etliche Zuschauer dazu auch hingebungsvoll tanzen, ist echt klasse. Und das nicht nur an einer Stelle. Einen ersten echten Hotspot stellt die Ortschaft Nea Makri dar. Irgendwie erinnert mich die ganze Aufmachung des Laufs an Boston. Rechterhand fällt mir ein deutschsprachiges Feuerwehrauto auf, auch sehe ich die Ösi-Fahne im Wind flattern. Vielfach werden wir noch zahlreiche schwarze Fahnen am Straßenrand entdecken und zahlreiche Transparente, die ganz offensichtlich nichts mit dem Lauf zu tun haben. Ich vermute, daß es vor 16 Monaten einen schweren Brand gegeben hat, dessen üble Folgen die Behörden nicht in den Griff bekommen. Vielfach beklagt man, immer noch auf der Straße zu leben, und prangert vermeintliche Korruption an.

Bisher ist die Strecke für mich leicht zu bewältigen, es ist eine muntere Abfolge vieler Aufs und Abs. Die Verpflegung wird reichhaltiger, Iso kommt dazu, auch das eine oder andere zu beißen. Wie immer halte ich mich an Flüssiges. Wie immer ist es interessant, die verschiedenen Trikots, manche davon sehr schön und/oder witzig gestaltet, zu inspizieren. Natürlich tragen auch viele Mitstreiter schon das Veranstaltungsshirt, gelb die Männer, blau die Frauen, das geht gar nicht. Die sind übrigens sehr schlicht gehalten, nein, eigentlich einfallslos, da hätte man dem Anlaß entsprechend wirklich etwas Tolles kreieren können. Wenn ich mein Brixen-Dolomiten-Shirt dagegen sehe, welch ein Unterschied! Das lenkt von der immer geradeaus führenden Straße ab, unterschiedliche Gegebenheiten am Straßenrand lenken ab. Obwohl mir selbst eintönige Strecken – und das hier ist absolut keine – mental wirklich nichts ausmachen. Mit verschiedenen Leuten komme ich ins Gespräch, es ist kurzweilig.
 

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Etwa an km 17 sehe ich zwei sehr vertraute Shirts mit ebensolchen Personen darin, Judith und Andreas sind eingeholt. Wir laufen bekanntermaßen in etwa einer Preisklasse, aber deren Programm der letzten Wochen konnte nicht ohne Auswirkungen bleiben. Langsam setze ich mich von ihnen ab. Halbzeit, zwei Stunden und acht Minuten sind vergangen, das paßt doch prima. Eingedenk meines muskulären, durch Elektrolytmangel bedingten Einbruch auf den letzten drei km von Nairobi vor zwei Wochen, nehme ich sehr bewußt ebensolche auf. Extra hatte ich auf der Messe sogar ein paar Gels im Sonderangebot erstanden, dann aber doch keines mitgenommen, denn bei km 20 waren welche angekündigt. Wie erhofft, konnte ich zwei abgreifen und eines davon für km 35 verwahren. Diesmal habe ich alles richtig gemacht.

Kurze Regenphasen trüben nicht das wettertechnische Glück, denn es war deutlich nasser angekündigt. Die Hügel machen nicht wenigen Mitstreitern arg zu schaffen, viele gehen schon bergauf, mir dagegen fällt es leicht. Paul, Henrys Begleitläufer meint im Nachgang, das kann nur an der guten Luft in Kikuyu auf 2.000 m gelegen haben. Egal, es motiviert und ich laufe sehr gleichmäßig einen Sechserschnitt. Bei km 28 sitzt ein einsamer Drummer im Wacken-Shirt und wieder baut sich so ein Depp auf und headbangt, die Pommesgabel schwingend. Der Jung hat sichtlich Freude, ich übrigens auch. Ein Barfußläufer, die Schuhe in der Hand, erregt allgemeine Aufmerksamkeit. An einer Unterführung hängt das Glücksversprechen in Form der Ankündigung von nur noch 11 km Reststrecke. Wer von Euch aufgepaßt hat, weiß, daß es jetzt fast ständig bergab geht.
 

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So langsam betreten wir wohl Athener Stadtgebiet, ein Eingangsschild oder Ähnliches ist mir nicht aufgefallen. Die Zuschauerdichte steigt. Schön, wenn solch ein Ereignis von der Bevölkerung in angemessener Weise angenommen wird. Tatsächlich läuft es richtig rund bei mir, das macht Spaß, scheinbar kann ich das Tempo der ersten Hälfte halten. Immer häufiger taucht die Fünf auf dem Tacho auf. Nach 35 km pfeife ich mir das zweite Gel rein. Die Wirkung scheint gut zu sein, jedenfalls sammele ich erheblich mehr Mitstreiter ein als ich selber überholt werde. Und das macht Freude, seien wir mal ehrlich.

K
m 40 erscheint, den letzten VP lasse ich aus, die zahlreichen Mülleimer und bleiben von mir mal unbenutzt. A propos Müll: Ein „Zero Waste-Lauf“, also ein Lauf ohne Müll, soll das heute sein. Wenn ich mir die vieltausendfach ausgegebenen Halbliterflaschen Wasser und später auch mit Iso anschaue, die meistens nur angenuckelt überwiegend am Straßenrand landen, habe ich daran so meine Zweifel. Keine Zweifel bestehen jedoch an meiner heutigen Vorstellung, die letzten km laufe ich, auch begünstigt durch die abfallende Strecke zwischen 5:20 und glatten 5 min/km.
 

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Der angeblich letzte km wird angezeigt, ich aber weiß nach einem Blick auf die Uhr, daß es noch 400 m weiter sind. Das kann peinlich sein, wenn Du zu früh den Endspurt anziehst oder umgekehrt schon auf dem Zahnfleisch gehst. Dann sind es noch 250 m, und den Rechtsknick kenne ich: Das Panathineiko-Stadion! Als Rekonstruktion auf den Fundamenten des des antiken Olympiastadions zu den ersten olympischen Spielen der Neuzeit erbaut, ist es einfach ein Gedicht. Historisch bedingt U-förmig, bietet es rund 50.000 Zuschauern Platz. Natürlich sind die Reihen nicht vollbesetzt, aber es sind genügend Leute da, um dem schwarz-rot-goldenen Wolphippides zu huldigen. “Nenikikamen!” (Wir haben gesiegt!) bringe ich gerade noch über die Lippen, dann verscheide ich.
 

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Nein, Quatsch, ich fühle mich fit, bin die zweite Hälfte sechs Minuten flotter als die erste gelaufen und freue mich über den schönen Erfolg, der zufälligerweise meinen 150. (Ultra)Marathon darstellt. Leider uns verständlicherweise zugleich werden wir höflich, aber bestimmt, weitergebeten. Meine Pheidippida schießt von der Tribüne aus noch ein paar Heldenfotos, dann gibt es (für mich schon zum zweiten Mal) eine tolle Medaille mit dem Motiv der Schlacht von Marathon. Die ist übrigens der Auftakt einer Serie von acht Motiven, die insgesamt über die nächsten sieben Jahre komplettiert werden können. Wenn das kein Grund ist, wiederzukommen! “Akropolis adieu!” trällerte schon dereinst Mireille Mathieu. Wer weiß daher, ob wir zum ersten und letzten Mal hier gewesen sind. Toll war’s, der Klaus hatte recht: Ohne hier gewesen zu sein, bist Du kein kompletter Marathonläufer.
 

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Diesen Bericht gibt’s auch mit deutlich mehr Fotos auf Marathon4you.de!

Streckenbeschreibung:
Auf den ersten zwei Dritteln leicht welliger Punkt-zu-Punkt-Kurs auf der originalen Laufstrecke von 1896, die der historischen entsprechen soll, mit 376 Höhenmetern.

Startgebühr:
Im günstigsten von drei Paketen ab 30 Euro mit Medaille, aber ohne Shirt.

Weitere Veranstaltungen:
!0- und 5 km-Lauf sowie Kinderläufe.

Leistungen/Auszeichnung:
Medaille, Urkunde zum Herunterladen.

Logistik:
Perfekt alles im Bereich der Stadien in Marathon und Athen.

Verpflegung:
Alle 2,5 km Wasser, später auch Iso und Cola, Gels nach 20 km, auch etwas Obst.

Zuschauer:
Überraschend viele und die ganz überwiegend höchst lebendig und engagiert.