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35. Silvesterlauf “Rund um die Steinbachtalsperre”


Neu und doch vertraut

Euskirchen in der Eifel ist immer eine Reise wert, insbesondere für Läufer. Die Heimat von LaufCampus bietet Strecken, bis der Arzt kommt. Nicht nur den Decke Tönnes-Marathon, den LaufCampus-Gründer und -Inhaber Andreas Butz aus der Taufe gehoben hat, sondern eben auch den geschichtsträchtigen Silvesterlauf Rund um die Steinbachtalsperre. Zweimal bereits habe ich hier meine Visitenkarte abgegeben, wenn auch die Besuche länger zurückliegen (2008 und 2012). Ursprünglich bestand der Kurs aus einer 3 km-Runde um die Talsperre, die dreimal plus einen km Anlauf zu absolvieren war. Das mit dem Anlaufkilometer hatte man nach meiner Beobachtung mangels Nettozeitnahme nicht hinbekommen (offensichtlich wurde, ich habe es selbst erlebt, zu viel betrogen), weshalb dieser ersatzlos entfiel und man sich auf die dreimalige Umrundung beschränkte. In diesem Jahr soll die bewährte Runde aufgrund von Folgeschäden der Jahrhundertflut nicht vollständig zur Verfügung stehen, weshalb erstmals eine 3,5 km-Runde, teils identisch mit der alten, belaufen werden wird.

Mitten im Winter hat uns die Laune der Natur einen Frühlingstag beschert und die Gradzahl gegenüber gestern glatt verdoppelt: Als wir, die beste Ehefrau von allen (die mal wieder ohne ihr Wissen von mir angemeldet wurde) und ich, aus dem Auto steigen, hat es sagenhafte 17 Grad. Plus, wohlgemerkt! Selbstverständlich nutze ich die Gunst der Stunde (die morgen schon wieder vorbei sein soll) und laufe in Kurz. Wir ergattern einen optimal gelegenen Parkplatz und halten zwei Minuten später unsere Startnummern in der Hand.
 

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Die restliche Zeit bis zum Start wird im Auto relaxt, danach ein wenig eingelaufen und um 14:30 Uhr fällt der Startschuß. Anders als in der Vergangenheit geht’s nicht rechts herum um die Talsperre, sondern in entgegengesetzter Richtung, aus der sonst die finalen Meter der Runde gelaufen werden. Ich bin gespannt auf das, was uns erwartet, denn ich höre von einer Teilnehmerin des Jedermannlaufs über 3,5 km, die Runde sei deutlich härter als die originale.
 

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Jetzt geht es auf der asphaltierten Straße, über die wir auch angereist sind, erstmal bergauf. Nicht dramatisch, aber spürbar. Anfangs ist es noch sehr eng, verläuft sich aber bald. Obwohl es hoch geht, ist der erste km in nur wenig mehr als fünf Minuten absolviert. Nun, wie lautet meine selbstgesteckte Vorgabe? Im Wissen, die 50 min. über zehn km noch knacken zu können, schiele ich, wenn alles gut geht, auf eine 53 zzgl. der für mich unkalkulierbaren Höhenmeter. 1,7 km sind auf dieser Straße absolviert, als scharf abgebogen wird und, quasi eine Etage tiefer, die Gegenrichtung eingeschlagen wird. Bergab ist also erstmal Trumpf. Nach einem weiteren halben km sehe ich Bekanntes - und doch Unbekanntes. Zur Linken, das ist doch unverkennbar die Staumauer, über die wir immer angerannt kamen. Aber irgendwie sieht die Szenerie anders aus. Nicht blau, sondern grün! Das große Loch ist leer, kein Wasser drin. Und komplett grasbewachsen, ich erkenne einige Trampelpfade, die kreuz und quer hindurchführen. Oh je, welch ein trauriger Anblick. Offensichtlich wird man erst nach Abschluß der Sanierungsarbeiten wieder Wasser stauen können.
 

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Die Steinbachtalsperre wurde übrigens als ABM-Maßnahme in den Jahren 1934 - 1936 zur Deckung des Wasserbedarfs der heimischen Tuchindustrie erbaut und staut das Wasser des Stein- sowie des Treuenbachs. Die tiefste Stelle liegt 17,4 m unter der Wasseroberfläche, vollgefüllt findet über eine Million Kubikmeter Wasser Platz. Die einfache Bauweise machte Ende der 80er Jahre eine Komplettsanierung erforderlich. Beim Jahrhunderthochwasser entgingen die unterhalb der Talsperre gelegenen Gemeinden nur knapp einer noch größeren Katastrophe. Die auf 281 m liegende Deichkrone wurde um 40 cm überspült, auf 134 m Breite floß das Wasser unkontrolliert in einem Dutzend mannstiefer Erosionsrinnen talwärts. Gott sei Dank hielt der Damm, die 2.000 evakuierten Einwohner konnten vier Tage später in ihre Häuser zurückkehren.

Auch meine Rückkehr zum Startbereich ist nicht mehr fern. Ab dem Ende der Staumauer entspricht der Restweg der alten Streckenführung. Am Waldrand oberhalb des Stausees, den ich mir heute vorstellen muß, führt der kurvige Weg zum Waldfreibad und letztlich gute hundert bis zweihundert m auf der Talsperrenstraße, die wir auch anfangs nahmen, bergab. Kurz nach links eingebogen, bin ich gleich darauf auf der Start-/Zielgeraden und nach 18:09 min. ist die erste Runde absolviert.
 

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Ring frei zur nächsten Runde! Und die war keinesfalls härter als die hergebrachte, wie ich eingangs gehört hatte. Meine Befürchtung, auf der ersten evtl. zu viele Körner gelassen zu haben, bestätigt sich zumindest noch nicht. Die lange Steigung - insgesamt bietet jede Runde exakt 40 Höhenmeter - läßt sich gut bewältigen. Mit einigen wenigen Mitstreitern spiele ich das beliebte Ziehharmonikaspiel: Mal ist der eine vorne, mal der andere. Bei etwa km 6 kassiert mich mit Riesenschritten der Führende, der den Sieg in 34:50 min. souverän davontragen wird. Der zweite, der mich unmittelbar vor dem Zielbogen abfängt, folgt in respektvollem Abstand. Leider steht beim zweiten Zieldurchlauf die Gattin mit bedröppeltem Gesicht am Rand, weil sie ihre nicht auskurierte Blasenentzündung zur Aufgabe gezwungen hat.  Meine dritte Runde verläuft wie die zweite, allerdings haue ich, ganz entgegen meiner Gewohnheit, ganz am Ende nochmal alles rein, um den Kollegen mit dem ich das Ziehharmonikaspiel am längsten getrieben habe, das Nachsehen zu geben, was auch knapp gelingt.  Am Ende steht dann mit 54:16 min. ein km-Schnitt von 5:01 min. zu Buche, mit dem ich zufrieden sein muß und kann. Platz 6 in der Altersklasse und 64 von 182 gesamt sind ok. Nicht allerdings die Teilnehmerzahl, die, wie bei so vielen anderen Veranstaltungen auch, brutal eingebrochen ist: Der Hauptlauf lockte im Vergleich zur letzten regulären Veranstaltung vor Corona 2019 lediglich 42% der damaligen Teilnehmer an. Hoffen wir allgemein auf Besserung.